Stiller
halten, ein Gebrösel von trockenem Lehm, und das nächste ebenso, Mumien, nichts als Mumien, dann ein Gestell von rostigem Eisen und gekrümmtem Draht, das ist aber auch alles, was von ihrem verschollenen Stiller sich hält, der Rest ist Erde, wie die Pfarrer sagen, ein paar graubraune Klumpen auf dem Boden, vor allem aber eine Wolke von braunem Staub, wenn ich die Sacktücher schüttle. Leider klingelt es. Leider; denn selber verdutzt über die Kunst, die da zum Vorschein kam, würden sie mich nicht gehindert haben, in einem Zuge fertigzumachen. Das Klingeln aber irritiert mich. »Wen haben Sie noch bestellt?« frage ich meinen Verteidiger, »um mich irrsinnig zu machen?«
In diesem Augenblick habe ich einen ganz bestimmten Verdacht, sehe ja auch, wie Knobel auf einen Wink meines verlegenen Verteidigers endlich den Schlüssel aus seiner Hosentasche holt, um aufzuschließen, um hinunterzugehen, und vergesse meinen sehr richtigen Verdacht unter dem Wortschwall meines Verteidigers, der nochmals (zum wievielten Male!) mich mahnt und beschwört: – ich solle doch Vernunft annehmen, meine letzte Gelegenheit zu einem Geständnis, ansonst gerichtliches Urteil, peinlich für Frau Julika, nur ein einziges Wort der Vernunft und alles auf freiem Fuß, alles nicht so arg, wie ich es sehe, ein sehr hübsches Atelier mit gutem Licht, Freunde planen Heimkehr-Feier, also Kopf hoch und heraus mit dem Geständnis, Stiller ein geschätzter Künstler, kein großer Künstler, wer ist das schon, aber geschätzt und Kunstkommission bereit zur Tilgung der Gerichtskosten, alle Menschen so nett zu mir, meine lächerliche Verstocktheit schadet nur mir selbst, ein bißchen Einsicht vonnöten, Julika ein feiner und wertvoller Mensch, Ehe nie ein Kinderspiel, aber Julika die Nachsicht und Güte in Person, also Kopf hoch und von vorne beginnen,Flucht nie eine wahre Lösung, Freiheit nur in der Bindung, Ehe als sittliche Aufgabe und nicht als Vergnügen, ein bißchen Reife vonnöten, ein bißchen guter Wille und es wird schon, Julikas schwere Jahre in Paris und ihr großherziger Verzicht auf erfolgreiche Tanzschule, Opfer von Julika, nichts als frauliche Opfer, Dankbarkeit meinerseits am Platze, also nochmals Kopf hoch, ein Mann sein und die Hände reichen und Halleluja! Bei dieser Rede stehen wir wieder Arm in Arm, sei es nun, daß Julika befürchtet, ich werde die nun unverschlossene Türe benutzen, oder sei es, daß sie sich aus echter Zärtlichkeit so an mich hält; ich fühle ihre körperliche Wärme; mein Verteidiger redet immerzu: Also Kopf hoch, nirgends so schön wie in der Heimat, ab und zu eine Reise natürlich, damit wir die Heimat aufs neue schätzen lernen, aber Wurzeln braucht der Mensch und gewiß auch der Künstler in mir, Wurzeln, darauf kommt es an, Wurzeln und nochmals Wurzeln, Millionen ohne Heimat, also Dankbarkeit meinerseits am Platze, nicht alles von der bösen Seite sehen, ein bißchen Liebe zu den Menschen, auch Schweizer nur Menschen, niemand kann aus seiner Haut heraus, eine positivere Haltung meinerseits vonnöten, überhaupt Haltung, nicht alles zusammenschlagen wie vorhin, Selbstkritik in Ehren, aber Schweinerei von Staub und Gebrösel, soll man nicht, Temperament in Ehren, aber alles mit Maß, alles nicht so arg, wie ich meine, und Zürich ungefähr die schönste Stadt in der Welt, aber wie gesagt: eine positivere Haltung unerläßlich, heutzutage genug Nihilismus in der Welt, von Mensch zu Mensch die Welt verbessern, das Gute wollen mit ganzer Seele und es wird schon, Frau Julika beispielsweise will, Frau Julika überhaupt als Vorbild, alle Achtung vor Frau Julika, nicht abzubringen von ihrer fraulichen Treue zu mir, eine seltene Frau, aber eine typische Frau, eine wundervolle Frau, Männer oft verbohrt und eigensüchtig, Frauen so anders, mütterlich, schwierig in ihrer Art, gewiß, aber nur, weil ich sie nicht verstehe, nämlich Reichtum des Gemüts, Julika mit einem Innenleben wie kaum eine andere Frau, Gemüt am Platze, ein bißchen mehr Herz meinerseits, das Ewig-Weibliche zieht hinan, heutzutage genug Intellektualismus in dieser Welt, nicht immer denken und zweifeln, sondern hoffen, Kopf hoch und hoffen, ohne Hoffnung nämlich keine Ehe, ohne Hoffnung kein Friede zwischen den einzelnen Menschen und den Völkern, man sieht es ja, ohne Hoffnung auch keine wahre Kunst wie im Mittelalter, kurzum, ohne Hoffnung keine Hoffnung, also Hand aufs Herz und keine dummen Geschichten machen, der gute Kern auch in
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