Stiller
Angst, daß ich ihm so eine Bronze einfach auf die Füße fallen ließe, und hielt Abstand, so daß ich denn doch, allem Gerede zum Trotz, mit meiner nächsten Bronze wieder das Fenster erreichte, Knall, das Wellblech hallte, und Stimmen brüllten aus dem Hof, ein Alarm von Flüchen, es knallte wie von Schüssen, und von Schweiß überströmt sah ich mich jetzt um, was es noch gäbe, riß Schränke auf, Kleinzeug flog im Bogen zum offenen Fenster hinaus, jemand klingelte Sturm, obschon jetzt nur noch Skizzenbücher flogen, Spachtel, Büchsen und solche Ware, von den Menschen im Atelier sah ich überhaupt nichts, wußte nur um ihre Gegenwart, und solange ich noch irgend etwas fand, die afrikanische Maske, die Banderillas, das keltische Beil, irgend etwas, womit ich das Wellblech da unten ermuntern konnte, war es mir wohl, ach, wohl ist kein Ausdruck, ich war ohne Angst, das Falsche zu tun, und wieder einmal ich selbst. Jedoch der Augenblick, der mir zugleich, wennschon ich jetzt mit mir zufrieden war, bereits als der erbärmlichste Augenblick meines Lebens erschien, der Augenblick nämlich, da ich auf allen Simsen und Gestellen nichts mehr finden konnte, um das Wellblech knallen und scheppern und hallen zu lassen, der Augenblick, wo ich mir nicht vorstellen konnte, was nun folgen sollte, dieser ganz stille und etwas leere, wie jeder andere Augenblick auch vergängliche und gerade dadurch so erbärmliche Augenblick kam natürlich doch ... Ich schwitzte. Knobel war hinausgegangen oder hinunter, um die Leute von der Spenglerei oder Schlosserei zu beruhigen und zu unterrichten, daß der Bronze-Hagel nun zu Ende wäre. Ich versuchtezu lächeln und dann, da es nicht ging, wenigstens zu lachen, sah mich indessen mit meinem Gelächter ganz allein, zu erschöpft, um so allein lachen zu können. Jetzt sah ich auch wieder Julika, die schöne Julika. Sie fand als erste das Wort:
»Und jetzt?«
Julika sitzt, ihren kleinen Fox auf dem Schoß, der sich maßlos über mich aufgeregt hat, nämlich der kleine Fox, jetzt aber bei Julika geborgen ist. Sie ist bei meinem ganzen Getue, glaube ich, nicht aufgestanden. Sie schüttelt nicht den Kopf, sieht mich nur an wie einen Mann, der Wein verschüttet hat oder einer Dame auf das lange Abendkleid getreten ist; es ist verzeihlich, aber peinlich. Aber verzeihlich. Und ich traue meinen Augen nicht: Ihr Gesicht mit den ungemein schönen Augen ist unverwandelt, dermaßen unverwandelt, daß ich mich jetzt selber frage, was ich denn eigentlich erwartet habe. Sie streicht nun ihr rötliches Haar zurecht, überflüssigerweise, denn Julika hat sich ja nicht gerührt; nur ich habe mich mit meinem Getue erhitzt, daß ich aus allen Poren schwitze, mein Hemd ganz genäßt ist, meine Krawatte verwurstelt, und eben darum streicht Julika nochmals ihr rötliches Haar zurecht, eine Geste der Verlegenheit, begreiflicherweise. Wartet sie darauf, daß ich mich entschuldige? Im Treppenhaus hört man ein lautes Geschnorr; es scheint niemand getroffen zu sein, sonst wäre es still. Aber Unwille und Empörung sind groß, begreiflicherweise, ich sehe es ein. Julika hat sich dann eine Zigarette genommen, worauf ich ihr Feuer anbiete. Ja, sie hat recht: Und jetzt? Einige Atemzüge lang, wie ich, das Feuerzeug noch in der Hand, meine Julika betrachte, glaube ich in heiße Tränen auszubrechen und im nächsten Augenblick auf meine Knie zu fallen, beide Hände vor dem Gesicht, bis Julika mein schluchzendes, häßliches, lächerliches Gesicht befreien wird. Ich möchte es, aber es geschieht nicht, es ist, als gingen die Tränen nach innen, und ich stehe unverwandelt wie sie. Ihr Hochmut (ihre Nachsicht) ist so stur und unerschütterlich; wie eine Siegerin, die ja nichts dafür kann, daß ich immer wieder unterliege, oder wie eine Mutter, eher noch wie eine Mutter, die ihren etwas unverbesserlichen Buben trotz allem so liebhat, lächelt sie, und ihre Überlegenheit dünkt mich so bodenlos, ihre Harmlosigkeit so unfaßlich, ihr Gleichmut so mörderisch, ihre Echolosigkeit so idiotisch, daß ich, ungläubig wie am ersten Tag, Julika noch immer anstarre. Und wie schön sie ist, ich werde es nie vergessen; ihr rötliches Haar, den Teint wie Alabaster, ihre so mädchenhaften Lippen, ihre vielleicht blauen oder grünenoder vielleicht auch farblosen Augen, ach, so groß und so ungemein schön, wie gesagt, und so lauter und ohne Hintergrund, ihre vornehme Nase mit den etwas großen Nüstern, ach, und ihr entzückendes Ohr, diesen
Weitere Kostenlose Bücher