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Stiller

Stiller

Titel: Stiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Frisch
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grinste mein Freund, wie ich mich am Abend in meine Hängematte sinken ließ, über meine große Mattigkeit, auch über mein Schweigen. Wie heißt sie denn? fragte er, und ich sagte: Hazel! und drehte mich auf die andere Seite.
    So vergingen Wochen.
    Meine Grotte drüben in den Felsen begann nachgerade ein Spuk zu werden, in Wirklichkeit nicht wiederzufinden, obschon ich noch mehrere Male in jene Gegend ritt, jedesmal ausgerüstet mit Laterne und Lasso, eine Tasche voll Karbid, die andere Tasche voll Verpflegung, und im Grunde glaubte ich schon gar nicht mehr an meine Entdeckung, als ich eines Abends, es dämmerte schon und war höchste Zeit, zurückzureiten, eine Wolke von Fledermäusen sah. Es war, als stiegen sie aus dem Boden, Millionen von Fledermäusen. Sie kamen aus meiner Grotte! ... Mit Laterne und Lasso, das man nach Bergsteigerart um die zackigen Felsen hängen kann, ist es nicht allzu schwierig, in die erste Höhle zu steigen, die gewaltig ist. Sie hat, wie ich in der letzten Dämmerung gerade noch zu erkennen vermochte, etwa den Innenraum von Notre-Dame. Außer Fledermäusen an den Felsen, die meine Laterne nur schwächlich beschien, und außer Scherben von Töpfen war nichts zu finden. Vermutlich war diese oberste Kaverne wirklich einmal ein Unterschlupf der Indianer gewesen. Nach und nach, wie ich so in diesem unterirdischen Dom spazierte, verlor ich fast alle Bangnis, gewiß, da und dort gab es Spalten in den Wänden, und meine Laterne leuchtete in kleine Kapellen, aber von Drachen mit glühenden Augen und Schwefelatem war nichts zu sehen, versteht sich. Ich war schon fast übermütig, eine so beträchtliche Grotte entdeckt zu haben, halb auch enttäuscht, mit meinem Geheimnis schon fertig zu sein, als plötzlich der Schein meiner Laterne – ich werde den Augenblick nie vergessen! – vom Boden verschluckt war. Atemlos vor Schreck, so klaffte es vor meinen Füßen, wagte ich mich nicht zu rühren; ganz einfach: der Schein meiner Laterne fiel auf keinen Boden mehr. Ich schaute nach der Pforte empor,nach dem Licht des Tages, doch unterdessen war es Nacht geworden auch über der Erde; ich sah ein paar Sterne, ein paar scheinlose Funken in unendlicher Ferne, ringsum die nahe Schwärze des Gesteins, und indem ich mich wieder an das kollernde Geröll erinnerte, das in immer tieferen Tiefen verhallt war, wagte ich auch nicht mehr rückwärts zu gehen; jeder Schritt, schien mir, bedeutete Sturz in den Tod. Schließlich kniete ich, band die Laterne an mein Lasso, um ihren schwachen Schein hinunterzulassen und die drohende Finsternis auszuloten; sie baumelte im Leeren. Mit der Zeit aber (ich kniete am Rand des Lochs, wie gesagt, und hörte nur mein Herz klopfen) war eine Grotte zu erkennen, ein ebenfalls beträchtlicher Raum, der aber nicht an Notre-Dame erinnerte, sondern an Träume, eine plötzlich so andere Welt, nicht Fels mit Fledermäusen dran, sondern ein Märchen mit hundert und aberhundert Säulen aus glänzendem Tropfstein. Das erst war meine Entdeckung! Für jemand, der klettern kann, war es nicht unmöglich, in dieses Märchen hinunterzusteigen. Aber wie werde ich wieder hinaufkommen? Ich wußte aber: wenn ich jetzt zurückkehrte, so würde es mich mein Leben lang reuen und quälen. Meine Bangnis wechselte in Übermut. Mit viel Vorsicht, mit äußerster Anstrengung (doch ohne an die Rückkehr zu denken) und mit allerlei Schürfungen gelangte ich endlich, nach einem Sprung aus ratloser Keckheit, in die wunderliche Tiefe, wo nun auch die Sterne nicht mehr zu sehen waren. Alles hing am Schein meiner Laterne. Wie erregt ich auch war, ich handelte mit einer Vernünftigkeit, die mich verblüffte; sofort bezeichnete ich den Fels, wo ich wieder emporzuklettern hatte, mit dem Ruß meiner Laterne und schrieb, als hätte man es so gelernt, eine große Eins in diesen Ruß. Dann erst sah ich mich um. Von einem Labyrinth verlockt, wohin ich nur leuchtete, stampfte ich hinter meiner Laterne her, halb selig, als wäre ich am Ziel aller Wünsche, und halb entsetzt, als wäre ich schon verloren, zum Preis für mein Staunen verdammt, nie wieder auf die Erde zu gelangen, nie wieder die Sonne zu sehen, die Sterne, die ich eben noch erblickt hatte oder auch nur den bleichen Mond, nie wieder über die Heide zu reiten, ihre Kräuter zu riechen, nie wieder einen Menschen zu erblicken, nie wieder gehört zu werden. Ich rief: Hallo? und dann: How are you? Nicht einmal ein richtiges Echo gab es hier. Alle zehn Schritte machte

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