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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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Mütze sorgsam auf einen Stuhl, strich ihm die wenigen feuchten Haare aus der Stirn, legte Laura in ein Gitterbett und deckte sie behutsam zu.
    "Ein Stündchen kannst du noch schlafen", sprach sie beruhigend auf Laura ein, als diese weinerlich den Mund verzog. Als hätte die Kleine ihre Worte verstanden, blinzelte sie nur noch einmal kurz und schlief dann mit zufriedenem Gesichtsausdruck weiter.
    Carla setzte sich wie jeden Morgen ans Bettchen, schaute die Kleine liebevoll an und bedachte sie mit allerlei Kosenamen. Doch auf all diese zärtlich geflüsterten Namen gab es aus dem Kinderbett keinerlei Reaktion. Oder? War da nicht doch eben ein dankbares Lächeln über das ovale Gesicht gezogen?
    Richtig warm ums Herz wurde der Frau, als sie das Mädchen so glücklich lächeln sah. In diesem Bett hatte vor vielen Jahren auch schon ihr jüngster Sohn geschlafen. Der wäre jetzt bald achtzehn geworden, dachte sie, noch immer traurig. Vor knapp zwei Jahren war er mit dem Moped tödlich verunglückt.
     

Überraschungsgast und letzte Fotos …
     
    Anne schüttelte den Kugelschreiber. Doch es half nichts, die Miene war leer. Mühsam erhob sie sich, suchte im Buffet nach einer neuen. Sie war gerade dabei, ihr Tagebuch fortzusetzen. Schon vor ein paar Wochen hatte sie damit begonnen. Vielleicht würde es ihre Tochter ja später interessieren, wie ihre eigenen ersten Lebensmonate und die letzten Lebenswochen ihrer Mutter verlaufen waren?
    Sie selbst war jedenfalls sehr dankbar für diese gemeinsame, wenn auch kurze, Zeit, die ihnen noch blieb.
    Sie konnte es sich nicht erklären, wieso sie inzwischen schon in der Lage war, so verhältnismäßig nüchtern an das nahe Ende zu denken. Manchmal, wenn sie fühlte, wie die Kraft aus ihrem Körper zu fließen schien, sehnte sie sich das Ende geradezu herbei.
    An anderen Tagen wieder fühlte sie sich um so mehr in der Lage, die ihr verbleibende Zeit so intensiv wie möglich zu erleben, sich zu freuen über leicht dahin schwebende Wolken oder über die Sterne, die ihr in der Nacht oft eine Zuversicht schenkten, die sie am Tag danach schon nicht mehr verstehen konnte.
    Für Laura, ihre kleine Tochter, hielt sie alle ihre Gedanken und Gefühle für erwähnenswert. Kein Tag verging, an dem Anne nicht aufschrieb, wie sehr sie ihr Kind liebte.
    Endlich hatte sie die Miene ausgewechselt und schrieb in ihrer zierlichen Handschrift weiter:
    Meine liebe Laura, es ist schon April, aber noch kühl draußen. Gut, dass ich dir dein Mützchen aufgesetzt habe. Weißt du, dass ich in der Nacht an deinem Bett gestanden habe? Nicht lange, da versagten meine Beine ihren Dienst, und ich musste mich setzen. Aber zurück in mein Bett gehen? Warum? Was sollte ich dort, wenn ich mich doch noch gar nicht satt gesehen hatte an deinem kleinen, lieben Schlafgesicht? Wenn mein kurzes Leben einen Sinn gehabt hat, dann den, dass ich dir das Leben schenken durfte. Nichts macht mich glücklicher als dich anzuschauen, deine gewölbte Babystirn, die feinen Linien der Augenbrauen, die seidigen Wimpern und deinen rosig schwellenden Mund zu berühren, der schon so tiefe Seufzer auszustoßen vermag.
    Ach Liebling, es ist vielleicht schwer zu verstehen, wenn jemand wie ich, angesichts des Todes, von Glück spricht. Und doch fühle ich nichts anderes, wenn ich dich anschaue.
    Dich, das Wichtigste in meinem Leben. Weißt du, eine Zeit lang, in einem anderen Land, auf der Insel Teneriffa, glaubte ich, das Wichtigste in meinem Leben könnte Dein Vater werden …
    Sie musste absetzen, um ihre verkrampfte Hand auszuschütteln.
    Dann schrieb sie weiter:
Heute verhält sich mein Bauch ziemlich ruhig, die Schmerzen sind erträglich, doch ich will mir nichts mehr vormachen. Nur den Frühling, den würde ich schon noch gern …
    Was war das? Die Klingel rasselte, einmal, zweimal.
    Ärgerlich klappte Anne ihr Tagebuch zu, aber dann trieb sie die Neugier an die Tür. Hätte sie früher nicht einmal eine Minute für die paar Meter gebraucht, so war sie jetzt erst in drei Minuten an der Tür. Es klingelte erneut.
    Draußen stand Dieter, der Fotograf. Ein bisschen zerzaust, ein bisschen in Eile, weil er gleich einen Fototermin habe, wie er statt einer Begrüßung erklärte. Seine abgewetzte Lederjacke stand wie immer offen. Ein vertrautes und doch auch wieder fremdes Bild für Anne.
    Erstaunt stellte sie fest, dass ihr Ärger verflogen war, sie würde ihre Aufzeichnungen einfach später fortsetzen.
    Es war sein erster Besuch. Immerhin. Die

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