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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Kunze
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er pfeifen, rieb sich seinen langsam grau werdenden Bart, ohne eigentlich zu wissen, dass er es tat …
    „ Was gibt es denn Neues auf Arbeit?", versuchte Anne ein weniger verfängliches Thema anzuschneiden.
    „ Es ist eigentlich immer dasselbe."
    Auch Dieter war über den Themenwechsel sichtlich erleichtert. „Wir bekommen immer mehr Seiten, aber wie viel Platz wir tatsächlich haben, erfahren wir immer später. Wenn abends noch eine Anzeige kommt, müssen die Seiten sozusagen noch einmal neu gebaut werden. Da fliegen auch viele meiner Fotos in den Papierkorb, weil sie am übernächsten Tag nicht mehr aktuell genug sind."
    Seine Worte klangen ärgerlich und resigniert. Dieter redete sich trotzdem noch richtig in Fahrt und gestikulierte heftig, so dass er beinahe die Kanne umgeworfen hätte.
    Anne amüsierte es, wie er herumfuchtelte, sie kannte ja die Aufregungen zur Genüge, wenn es auch in ihrer Zeit noch nicht ganz so schlimm gewesen war. Doch als Sekretärin musste sie sich auch oft damit abfinden, dass von siebzig erfassten, also abgetippten, Zeilen nur noch sieben übrig blieben oder gar nicht mehr genommen wurden. Sie hatte es also durchaus auch kennengelernt, für den Papierkorb zu arbeiten. Damals.
    Tatsächlich, sie dachte damals, obwohl seit dem erst ein reichliches Jahr vergangen war. Sie konnte sich kaum mehr an Einzelheiten ihrer Arbeit erinnern. Jetzt war das Eintragen ihres Befindens mittels Kugelschreiber in einen Kalender die einzige Beschäftigung, die noch etwas mit Schreiben zu tun hatte.
    Doch sie wollte niemandem ihre Last aufbürden, deshalb warf sie leicht hin: „Nimm es nicht so tragisch. Hauptsache, du schaffst deine 105 Bilder im Monat. Viel wichtiger ist doch, dass dir die Ideen nicht ausgehen."
    Jetzt war es an ihr, ihre Hand freundschaftlich auf seinen Arm zu legen. Wie albern, dachte sie, dass ich meinen Arm vorhin so abrupt weggezogen habe. Leicht strich sie mit den Fingern über seinen Ärmel. Das Leder fühlte sich rau und warm an.
    Als sie langsam Dieters Körperwärme zu spüren bekam, zuckte sie jedoch erschrocken zurück.
    Er hatte die Berührung anscheinend gar nicht bemerkt.
    „ Jeden Tag halbwegs gute Motive und Nachrichtenfotos zu finden, ist schon ganz schöner Stress", stöhnte er theatralisch und dachte, wieso läßt sie ihre Finger nicht weiter wandern? Doch schnell hatte er sich wieder in der Gewalt. Anne nickte verständnisvoll.
    „ Meistens fällt mir ja noch etwas ein, aber manchmal ist das eben auch nur ein Griff ins Archiv, wie Ostern oder Weihnachten. So oft, wie bei uns die Redakteure wechseln, kriegen die das sowieso nicht mit", lachte er.
    "Lass´ das mal nicht den Chef hören", drohte sie ihm zum Schein, „und die Leser könnten es auch merken."
    Sie griff nach der Glaskanne, goss den Tee ein, sofort duftete es nach Jasmin.
    „ Himmel, die Narzissen liegen ja noch im Spülbecken, wo finde ich denn eine Vase?" Dieter war schon auf der Suche.
    „ Im Wohnzimmer, in dem bemalten Bauernschrank links neben der Tür“, rief sie ihm nach. „Nimm am besten, die tief blaue, die steht gleich vorn...“
    Dieter hörte sie schon nicht mehr, denn er hatte schon den Flur durchquert und den bunten Schrank im Wohnzimmer gefunden, erkannte ihn genauso wie vorher den Eichentisch.
    Eilig kam er mit der bauchigen blauen Vase zurück, ließ Wasser einlaufen, löste das Bastband und ordnete die Blumen so lange neu, bis das Arrangement vor seinem kritischen Auge bestehen konnte.
    Auch Anne hatte diesmal nichts daran auszusetzen und lobte ihn sogar.
    Beide gaben sich entspannt, sie plauderten über belanglose Dinge, wie früher manchmal. Anne lachte sogar ein paar Mal, frisch und herzlich. Dieter wurde von einer warmen Welle der Sympathie erfasst - und da kam ihm plötzlich diese verrückte Idee.
    „ Anne, wie machst du das nur, dass du trotz alledem keine schlechte Laune hast?“
    Sollte er ihr sagen, wie sehr er sie bewunderte? „Ich weiß nicht, wie du das alles verkraftest“, sprach schon weiter, „aber eines weiß ich genau: Solche starken Frauen wie dich gibt es nicht viele."
    Anne stutzte. Wieso sagte er das so feierlich, sollte das ein Kompliment sein? Nein, das passte nicht zu ihm. Mit einem Blick in seine Augen vergewisserte sie sich, dass Dieter tatsächlich alles so meinte, wie er es sagte.
    Dieter kramte angelegentlich in seiner Fototasche herum, setzte ein anderes Objektiv in den Apparat ein, schob die Filmschachteln mit dem Ellenbogen beiseite. Wollte er

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