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Stilles Echo

Stilles Echo

Titel: Stilles Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Aber er weiß genausowenig, was passiert ist, wie ich. Und dann der alte Briggs. Er hat die Bullen geholt.«
    »Vielen Dank.« Er wußte, daß es reine Zeitverschwendung war, aber er mußte es wenigstens versuchen. »Haben Sie einen der beiden Männer jemals gesehen, als sie noch lebten?«
    »Nein.« Sie antwortete, ohne auch nur nachzudenken. Ihre Worte bestätigten, was er erwartet hatte. Er sah sich kurz um und stellte fest, daß der Vorarbeiter ein wenig näher gekommen war. Es war ein großer, schwarzhaariger Mann mit mürrischem Gesicht. Evan hoffte, man würde Daisy Mott nicht die Zeit, die er für seine Fragen gebraucht hatte, vom Lohn abziehen, aber diese Hoffnung war gewiß vergeblich. Er durfte nicht noch mehr von ihrer Zeit verschwenden.
    »Vielen Dank. Auf Wiedersehen.«
    Sie antwortete nichts, sondern kehrte schweigend zu ihrer Arbeit zurück.
    Evan und Shotts kehrten in die Gasse zurück und sprachen mit Jimmy Eiders und dessen Frau. Aber auch die beiden hatten nichts zu bieten und bestätigten nur, was Daisy Mott ihnen bereits erzählt hatte. Eiders bestritt, jemals einen der beiden Männer zu deren Lebzeiten gesehen zu haben oder zu wissen, was sie vielleicht hier getan haben mochten. Das anzügliche Grinsen in seinem Gesicht ließ das Offensichtliche vermuten, aber er versagte es sich, seine Gedanken in Worte zu fassen. Bei Briggs war es dasselbe.
    Sie verbrachten den ganzen Tag in der Gasse, die den Namen Water Lane trug, oder in deren unmittelbarer Nähe. Sie stiegen schmale, verfallene Treppen hinauf und wieder hinab, kamen in Zimmer, in denen manchmal eine ganze Familie lebte, und in andere, in denen bleichgesichtige junge Prostituierte ihrem Geschäft nachgingen, wenn es draußen zu kalt oder zu naß war. Sie stiegen in Keller hinab, in denen Frauen aller Altersklassen bei Kerzenlicht stickten, während zwei oder drei Jahre alte Kinder im Stroh spielten und kleine Lumpenfetzchen zu Püppchen banden. Ältere Kinder trennten gebrauchte Kleidung auf, um aus dem Stoff neue zu nähen.
    Niemand gab zu, etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört zu haben. Niemand wußte etwas über zwei Fremde im Viertel. Hier herrschte schließlich ein ständiges Kommen und Gehen. In diesem Bezirk gab es Pfandhäuser, Hehler für gestohlene Waren, Dokumentenfälscher, Absteigen aller Art, Ginfabriken und wohlverborgene Räume, in denen sich ein polizeilich gesuchter Mann für eine Weile versteckt halten konnte. Die beiden Opfer hätten in jedem dieser Häuser zu tun haben können oder in keinem davon. Vielleicht hatten sie sich einfach damit amüsiert, sich einen Lebensstil anzusehen, der sich von ihrem eigenen unterschied. Sie konnten sogar irregeleitete Prediger gewesen sein, die gekommen waren, um Sünder vor sich selbst zu bewahren, und die man für ihre Anmaßung und ihre Einmischung bestraft hatte.
    Wenn überhaupt irgend jemand etwas wußte, dann hatte der Betreffende vor den Eindringlingen oder ihresgleichen mehr Angst als vor der Polizei, zumindest sofern sie sich in Gestalt von Evan oder P. C. Shotts präsentierte.
    Um vier Uhr, als es bereits wieder dunkel wurde und bitterkalt, sagte Shotts, er wolle noch die eine oder andere Erkundigung in der Wirtsstube einholen, wo er einige Bekannte hatte. Evan wollte inzwischen ins Krankenhaus fahren, um festzustellen, was Dr. Riley zu sagen hatte. Er hatte sich vor diesem Augenblick gefürchtet, denn er wollte nicht noch einmal an den jüngeren Mann denken müssen, denjenigen, der lebend an diesem schrecklichen Ort gelegen hatte. Bei der Erinnerung daran wurde Evan flau im Magen, und er fror. Er war zu müde, um gegen diese Gefühle ankämpfen zu können.
    Im Krankenhaus von St. Thomas lenkte er seine Schritte direkt zur Leichenhalle. Er wollte sich den Toten noch einmal ansehen und soviel wie möglich in Erfahrung bringen, bevor er Riley bat, ihm alles zu erklären, was es sonst noch über diesen Fall zu wissen gab. Evan haßte Leichenhallen, andererseits kannte er niemanden, der diesbezüglich etwas anderes empfunden hätte. Irgendwie schienen seine Kleider anschließend immer nach Essig und Lauge zu riechen, und er hatte das Gefühl, als würde die Feuchtigkeit nie wieder aus ihnen weichen wollen.
    »Ja, Sir«, sagte der Leichenwärter pflichtschuldig, nachdem Evan sich ausgewiesen hatte. »Doc Riley meinte, Sie würden irgendwann vorbeikommen, wahrscheinlich heute noch. Ich habe aber bloß eine Leiche für Sie. Der andere ist noch nicht tot. Der Doc sagt, der

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