Stilles Echo
herausfilterte. Und sie erinnerte sich an Sylvestras Erzählungen über Leighton Duffs Liebe zur Gefahr in seinen Tagen als Hindernisreiter, seine Erregung im Angesicht eines Risikos, den Jubel, wenn er alles auf eine Karte gesetzt und gegen die Quoten gewonnen hatte. »Was ist mit Kynaston?« fragte sie Monk im Flüsterton.
»Macht!« erwiderte er. »Die Macht, andere in Angst zu versetzen und zu demütigen. Vielleicht war das Bild des rechtschaffenen Mannes, das er für die Eltern seiner Schüler erschaffen hatte, mehr, als er ertragen konnte. Wir werden es vermutlich niemals erfahren. Ehrlich gesagt ist es mir auch egal. Mich kümmern vielmehr die Familien, die sie zurücklassen… Sylvestra und Rhys.«
»Ich denke, Fidelis Kynaston wird ihnen helfen«, erwiderte Hester. »Sie werden einander helfen. Und vielleicht auch Miss Wade. Sie alle müssen sich einer furchtbaren Wahrheit stellen. Vielleicht werden sie nach Indien gehen?« dachte sie laut. »Alle zusammen, wenn es Rhys besser geht. Hier können sie nicht bleiben.«
»Vielleicht«, pflichtete er ihr bei. »Obwohl es erstaunlich ist, was man aushaken kann, wenn es sein muß.« Er wollte ihr später von Runcorn erzählen, bei einer anderen Gelegenheit, wenn sie allein waren.
»Es würde ihnen in Indien gefallen«, beharrte sie. »Da draußen werden dringend Menschen gebraucht, die ein wenig von Krankenpflege verstehen, vor allem Frauen. Das habe ich in Amalias Briefen gelesen.«
»Verstehen sie denn etwas von Krankenpflege?« fragte Monk mit einem Lächeln.
»Sie könnten es lernen!«
Sein Lächeln wurde breiter, aber Hester sah es nicht.
Die Geschworenen verzichteten darauf, sich zur Beratung zurückzuziehen. Sie befanden einstimmig auf »nicht schuldig«.
Hester ließ ihre Hand in Monks gleiten und rückte noch ein Stück näher zu ihm heran.
Buch
In einer kalten Winternacht des Jahres 1860 macht die Polizei in einem Elendsviertel von London einen grausigen Fund. Zwei Männer liegen in der Gosse – der ältere tot, der jüngere schwer verletzt. Das Entsetzen ist groß, als die Identität der beiden feststeht. Es handelt sich um den angesehenen Anwalt Leighton Duff und seinen als Tunichtgut verschrienen Sohn Rhys. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf und hat schon bald einen fürchterlichen Verdacht. Hat am Ende der Sohn den Vater erschlagen? Denn seit einiger Zeit hegt die Polizei die Vermutung, daß der leichtlebige Rhys und zwei gleichgesinnte Freunde aus besten Familien für eine Reihe von Überfällen auf Prostituierte verantwortlich sind: die jungen Herren bezahlten jeweils die Dienste nicht mit Münzen, sondern mit einer Tracht Prügel. Sollte der besorgte Vater Leighton versucht haben, seinem mißratenen Sohn Einhalt zu gebieten? Die Ermittlungen werden dadurch erschwert, daß der unter Schock stehende schwerverletzte Rhys die Sprache verloren hat. Seine besorgte Mutter hat zu seiner Pflege die Krankenschwester Hester Latterly engagiert, die nicht an die Schuld ihres Patienten glauben kann. Sie bittet ihren Bekannten William Monk, diskrete Ermittlungen anzustellen. Und tatsächlich macht Monk schon bald ein paar höchst interessante Entdeckungen. Doch wie perfide sich der Mordfall wirklich gestaltet, das hätte sich nicht einmal der lebenserfahrene Privatdetektiv in seinen schlimmsten Alpträumen vorzustellen gewagt…
Autorin
Die Engländerin Anne Perry verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Schon früh begann sie zu schreiben. Mittlerweile begeistert sie mit ihren Helden, dem Privatdetektiv William Monk sowie dem Detektivgespann Thomas und Charlotte Pitt, ein Millionenpublikum.
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