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Stimme aus der Unterwelt

Stimme aus der Unterwelt

Titel: Stimme aus der Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Der Kerl haßt
mich. Ich soll mich, sagte er, aufs Schlimmste gefaßt machen. Er werde mich so
treffen, wie damals ich ihn getroffen hätte.“
    „Was meint er damit?“
    „Keine Ahnung, Tim. Bei meiner Ehre:
Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

14. Reisepaß
     
    Der Rücken schmerzte, die Schultern
schmerzten, das Genick tat weh.
    Rüdiger Klawim hielt die Augen
geschlossen. Aber er war aufgewacht und spürte, daß die Nacht dem Tag wich.
    Der Hoteldieb wußte sofort, wo er war.
    Die Grabplatte, auf der er lag, war
während der Nachtstunden ausgekühlt — jetzt fühlte sie sich zum Frösteln steinig
an. Genauso gut, dachte er, könnte ich mich auf die Straße legen. Nein, hier
ist weniger Verkehr.
    Rüdiger lag auf dem Rücken, öffnete ein
Auge und blickte in fahles Licht.
    Die Sonne war noch nicht aufgegangen.
Silberlicht. Auf dem Friedhof standen Pappeln und Birken. In den Zweigen
stimmten die Vögel ihr Morgenlied an.
    Rüdiger beobachtete eine Amsel. Sie saß
genau über ihm auf einem langen Ast, schien jetzt ihren Hinterleib abzuwinkeln
und ließ etwas fallen.
    Klacks! — eine Handbreit neben Rüdigers
Gesicht klatschte der Vogeldreck auf die Grabplatte. Die Amsel flog davon, und
Rüdiger sprang auf.
    Er fröstelte, obwohl es nicht kalt war.
Als er sich übers Gesicht rieb, spürte er Bartstoppeln. Aber darauf konnte man
keine Kartoffel reiben. Sein Bartwuchs war immer dünn.
    Wie die Vögel sangen! Schön war es
hier. Im fahlen Morgenlicht wirkte der Friedhof verwunschen. Der Dunst hängte
Schleier zwischen Grabmäler und Kreuze. Blumen blühten, in Sträuchern glitzerte
Tau. Aber Rüdiger hatte Hunger.
    Wie spät? Gleich 5 Uhr.
    Natürlich schlief der Ort noch,
abgesehen von Müllmännern, Zeitungsausträgern, Nachtportiers und krankhaften
Frühaufstehern. Das Café am Bahnhof würde vielleicht so rechtzeitig öffnen, daß
er noch frühstücken konnte, bevor er den ersten Zug via Grenze nahm.
    Der Hoteldieb zog los.
    Wie gedacht: Leere Straßen.
    Als er an einem Grundstück vorbeikam,
wo die ,Bad-Fäßliftl-Nachrichten’ am Gartentor in der Zeitungsröhre steckten,
konnte er nicht widerstehen.
    Seltsam: Wenn er Hotelzimmer
leerräumte, hatte er niemals Gewissensbisse. Jetzt fühlte er sich zum ersten
Mal wie ein Dieb.
    Eilig ging er weiter, die Zeitung unter
der Jacke. Erst als er außer Sichtweite war, schlug er die Lokalseite auf.
    RAUBÜBERFALL IM ALPEN-EXPRESS — da
stand’s, groß und dreispaltig. Im Kasten, also eingerahmt, die Phantomzeichnung
des Täters.
    Rüdiger starrte sie an, hm, hm! Da er
wußte, daß er gemeint war, erkannte er sich. Fand sich in natura allerdings
hübscher. Würden andere ihn erkennen? Je länger er die Zeichnung betrachtete,
umso gelungener erschien sie ihm. Also höchste Vorsicht!
    Er las den Bericht. Im wesentlichen
enthielt der nichts Neues. Die Verfasserin empörte sich — mit Recht, wie
Rüdiger meinte — über die Brutalität. Einen alten Mann so zu schlagen. Von
hinten. Mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf! Es hätte tödlich sein
können.
    Und alle Welt glaubte nun, er, Rüdiger,
sei dieser Gewalttäter.
    Sobald ich außer Landes bin, dachte der
Dieb, werde ich diese — wie heißt sie? Ah, der Bericht ist mit Namen
gezeichnet, Susi Welmhoff steht da. Die werde ich anrufen und ihr die Wahrheit
verklickern. Die Schmach kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Könnte sein, es
löst eine internationale Fahndung aus — und Kopfgeldjäger setzen sich auf meine
Spur.
    Er grinste. Tolles Gefühl, hier gleich
die Platte zu putzen. Ob die Phantomzeichnung inzwischen an die
Grenzpolizei...? Nicht auszudenken!
    Unter ihm schien sich der Boden zu
öffnen.
    Rüdiger Klawim wankte. Sein Herzschlag
holperte. Dann lenkte der Schreck einen Strom eisgekühlten Blutes durch die
Adern. Schrecklich!
    Das Wort Grenzpolizei löste den
Gedanken aus.
    Sein Reisepaß! Den brauchte er. Beim
Grenzübertritt konnte es passieren, daß die Grenzer Stichproben machten und
seinen Reisepaß sehen wollten. Nicht immer, natürlich! Aber zur Zeit wurde
wiedermal viel Rauschgift geschmuggelt; Grenzer und Zöllner kontrollieren
scharf und gewissenhaft.
    Ich habe ihn vergessen, den Reisepaß,
dachte Rüdiger voll Entsetzen. Das Dokument liegt bei Froschauge, dem
Kurhotel-Nachtportier. Dieser blöde Zwockel ( Österreicher )! Es wäre
seine verdammte Pflicht gewesen, ihn mir gestern abend zurückzugeben. Aber da
pennte der ja schon. Jetzt kann ich mich einsalzen lassen.
    Er

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