Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht
und zurück zum Range Rover gerannt, wo der Schlüssel noch im Zündschloss steckte. Kyle raste die Landstraßen entlang und bog einfach in irgendeine Richtung ab, wann immer eine Straße endete. Mit fünf Bier intus schleuderte er regelrecht durch die sich windenden Kurven, und Grace schrie auf und bettelte, er möge langsamer fahren, bis er schließlich in einer ruhigen Gegend mit nur einem Haus auf einem entfernten Hügel am Straßenrand anhielt. Kyle stieg aus und begann hin und her zu laufen, murmelte immerzu, wie total verrückt diese Professor Greene doch sei und dass sie sich einen Plan ausdenken müssten.
Die Polizei würde unweigerlich eine Suche nach ihnen starten, sobald sie Professor Greenes Haus erreicht hatte. Sie würde die Geschichte der beiden Studenten hören wollen, und Kyle musste schnellstens wieder nüchtern werden. Er holte den Zwölferpack Budweiser aus dem Auto und versteckte ihn hinter einem Baum im Wald. Den könne er sichja irgendwann mal wieder holen, sagte er, doch jetzt dürfe er erst mal kein Bier im Auto haben.
Als Nächstes erklärte Kyle Grace, dass sie beide hier warten müssten, bis aller Alkohol aus seinem System heraus sei. Er war in der Vergangenheit offenbar schon mehrmals bei Alkoholkontrollen aufgefallen und hatte wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss Probleme bekommen. Die beiden suchten sich einen großen Felsen etwas abseits der Straße und saßen ziemlich lange dort, während Grace sich die kunstvollsten Lügen ihres Lebens ausdachte und eine Geschichte für die Polizei fabrizierte. Sie hatten nichts Schlimmes getan – zumindest nichts, was Professor Greene das Recht gegeben hätte, Jacob anzugreifen. Aber es würde schlecht aussehen, wenn die Polizei wüsste, dass sie Alkohol getrunken hatten, unbefugt auf ein Privatgrundstück vorgedrungen waren und Kyle versucht hatte, einen Diebstahl zu begehen.
Grace und Kyle einigten sich darauf, allen zu erzählen, dass sie zu dritt auf dem Weg zur Party bei Hillyer waren und sich dabei in der ländlichen Gegend verfahren hatten. Sie würden zugeben, dass Kyle und Jacob ein Bier getrunken hatten, bevor sie zu Hause weggefahren waren – das hatten andere Studenten gesehen –, aber sie würden betonen, dass sie unterwegs dann nichts weiter getrunken hätten. Denn das wäre ja schließlich der Grund gewesen, warum sie zur Party bei Hillyer fuhren – um Freibier zu trinken. Sie würden sagen, dass Jacob Professor Greenes Haus erkannt und beschlossen hätte, sie nach dem Weg zu fragen. Kyle und Grace hätten im Auto gewartet, als Jacob zur Haustür ging und klopfte. Sie hätten gesehen, wie Professor Greene ihn hereinließ, aber sie hätten nicht gesehen, was zwischen den beiden vorfiel. Jacob wäre etwa zehn Minuten im Haus gewesen, als sie beide auf einmal Geschrei hörten. Daraufhin wären sie aus dem Auto gestiegen und hätten durch die Fliegengittertür ins Haus hineingesehen, wo Professor Greene mit einem Baseballschläger in der Hand dastand und Jacob mitunnatürlich zur Seite verdrehtem Kopf auf dem Flurboden lag und Blut aus seinem linken Ohr sickerte. In Panik wären sie weggelaufen und hätten sich dann, völlig traumatisiert, im Dunkeln auf den Landstraßen verfahren, weshalb sie auch einige Stunden gebraucht hätten, bis sie nach Jackson zurückgefunden hätten.
Das war Graces Geschichte, ein fragwürdiges Produkt der Panik und Angst, voller offensichtlicher Löcher. Ihre Gabe zu lügen ließ sie unter Druck im Stich. Sie bestand darauf, dass Kyle diese Version ein paarmal mit ihr übte, damit alles stimmig war, wenn die Polizei ihnen Fragen stellte. Als sie sich die Geschichte beide gemerkt hatten, stiegen sie wieder in den Range Rover und fuhren eine Weile, bis Kyle schließlich wusste, wo er war. Im 7-Eleven südlich von Jackson kauften sie sich jeder einen schwarzen Kaffee, und als sie bei Kyle zu Hause ankamen, war es schon fast zwei Uhr früh. Einer von Kyles Mitbewohnern, Nolan, sah im Wohnzimmer noch fern und sagte, dass schon zweimal Leute des Sheriffs da gewesen seien und nach Kyle gesucht hätten – und da brach Kyle zusammen. Grace hatte ihn noch nie zuvor weinen sehen, und sie legte ihm einen Arm um die Schulter und bat Nolan, ihnen noch einen Kaffee zu holen.
Als sie alle gemeinsam auf dem Sofa saßen, erzählte Kyle seinem Mitbewohner die Geschichte genau so, wie Grace und er es geübt hatten, nur dass er sie noch etwas ausschmückte und hinzufügte, er halte diese Emma Greene für
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