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Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht

Titel: Stimmen in der Nacht - Brodie, L: Stimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Brodie
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Freund kennengelernt hatte und wie sie sofort gefangen genommen gewesen war von seinem hübschen Gesicht und seinem einschmeichelnden Wesen. Sie erzählte Maggie von Jacobs falschen Freundschaften mit Männern und von seinen routinierten Komplimenten jungen Frauen gegenüber, die zu ordinären Kommentaren wurden, wenn sie nicht dabei waren. Sie beschrieb, wie er Essays abschrieb, Bücher aus der Bibliothek stahl und Bierflaschen aus dem Autofenster warf, wenn er über Land fuhr, und, ganz begeistert vom Geklirr der Glasscherben, Kyle aufforderte, es ihm nachzutun.
    Maggie wurde ungeduldig. »Sie haben gesagt, dass es richtig war, dass meine Mom ihn getötet hat. Aber nichts von all dem ist so furchtbar schrecklich.« Das stimmte, aber Grace wusste noch schlimmere Dinge, viel schlimmere. Im letztenCollege-Jahr war das Gerücht herumgegangen, dass Jacob eine Studentin verprügelt hatte, und Grace glaubte es. Auch sie hatte mal gedacht, er würde sie gleich schlagen, nämlich als sie, Kyle und Jacob von einer Studentenparty zu Fuß nach Hause gingen. Sie waren alle ein wenig angetrunken, und Jacob stolperte über die Wurzeln eines Baumes und fiel auf die Knie. »Wie galant«, hatte sie gelacht. Nachdem er sich langsam wieder aufgerappelt hatte, ging Jacob auf sie zu und hob die Hand, und sie wusste, dass er sie geschlagen hätte, wenn Kyle nicht dabei gewesen wäre.
    »Aber er hat Sie nicht geschlagen«, sagte Maggie. »Er hat Sie nie geschlagen?«
    »Das stimmt.« Grace nickte. »Aber er hat etwas anderes getan.« Etwas Unverzeihliches.
    In den Hohlräumen unter den Veranden der alten Studentenwohnheime hausten streunende Katzen, die von wohlmeinenden Studenten mit Essensresten ernährt wurden. Zu Graces College-Zeit gab es unter Kyles Wohnheim fast jedes Jahr einen Wurf, und die Studenten versprachen den Mädchen oft, ihnen die Kätzchen zu zeigen, wenn sie mit zu ihnen kämen. Eines Abends war Grace bei Kyle, als Jacob sagte, dass er mal einen Blick auf den neuen Wurf werfen wolle. Eine rotbraun getigerte Katze hatte auf einer zerrissenen Plane unter der Veranda vier Junge geworfen, und so holte Kyle eine Taschenlampe, und sie alle gingen hinaus.
    Die Veranda war sehr hoch, sodass darunter ausreichend Stauraum für Fahrräder und Rasenmäher blieb, der von einem Gitter umschlossen und durch eine Holztür zu betreten war. Als Grace, Jacob und Kyle unter die Veranda traten, konnten sie anfangs noch aufrecht stehen. Doch der Erdboden wurde höher, je näher man dem Haus kam, und die Katzenmutter wachte direkt an der Hauswand über ihre Kätzchen, wo nur noch ein guter halber Meter an Höhe gegeben war. Kyle bückte sich und leuchtete die Kätzchen mit der Taschenlampe an, die blinzelten und mit den ruckartigensteifen Bewegungen ganz junger Tiere herumwuselten, während ihre Mutter auf die Seite hingestreckt dalag, die Zitzen den tretenden kleinen Pfoten ausgesetzt, und zu erhitzt und erschöpft wirkte, um wegen irgendwelcher Studenten aufzuschrecken.
    Jacob wollte unbedingt eins der Kätzchen in die Hand nehmen, obwohl Grace ihn bat, es nicht zu tun   – sie waren noch viel zu jung, und es würde die Katzenmutter aufbringen. Aber er kroch so nahe heran wie möglich, legte sich dann auf den Bauch und streckte eine Hand aus. Die Mutter sprang auf, machte einen Buckel und fauchte kreischend, als Jacob nach einem der Kätzchen griff und es zu Kyle und Grace hinübertrug, die ein gutes Stück hinter ihm standen. Es war das kleinste Kätzchen, das Grace je gesehen hatte, grau und flaumig, und es stieß ein schrilles Miauen aus, in das seine Brüder und Schwestern einstimmten, während die Katzenmutter grollend knurrte. Jacob stellte das Kätzchen mit den Hinterbeinen auf den Boden, hielt es an den Vorderpfoten hoch und wirbelte es herum, als würde es Breakdance machen, was Kyle wahnsinnig komisch fand. Dann hob Jacob es am Nacken auf und hielte es sich vor den Mund, sodass er dem Kätzchen in die Nase pusten und zusehen konnte, wie es die Augen zusammendrückte und sich das Gesicht mit den Pfötchen rieb.
    »Pass auf, sonst lässt du es fallen!«, rief Grace, und Jacob grinste sie an.
    »Was?«, erwiderte er und ließ das Kätzchen los.
    Grace schrie, als es Jacob aus der Hand fiel, doch er streckte die andere aus und fing das Tier auf, ehe es auf den Boden schlug. Während Kyle immer weiterlachte, bestand Grace darauf, dass er das arme Ding zurückbringen solle. Mittlerweile gelangweilt ging Jacob wieder auf die Knie und

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