Stimmen
war er ziellos umhergefahren, wobei er sich bemüht hatte, nicht in den dichten abendlichen Verkehr zu geraten. Er hielt an einer breiten Straße an und zog die Handbremse. Atmete tief aus. Spähte durch die Windschutzscheibe, die mit Regentropfen übersät war. Nach dem Sturm klärte sich der Himmel jetzt auf. Er befand sich in einem Viertel mit schönen alten Häusern, die nicht allzu prunkvoll, aber gut in Stand gehalten und sorgfältig gepflegt waren. Ein Ort, an dem Ordnung und Schicklichkeit herrschten. Peter hatte diesen Teil von Los Angeles immer besonders gemocht, eine Oase gutnachbarschaftlicher Beziehungen und heiler Welt am Rande der ausgedehnten grauen Industriegebiete.
Wonach er sich sehnte, war ein Ort jenseits ausgetretener Pfade, an dem er das, was er zu wissen meinte, zusammensetzen und bestimmte Schritte vorbereiten konnte.
Die ganze Zeit über hatte er vorgehabt, vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein. Jetzt machte dieser Gedanke ihm Angst. Ein hübscher kleiner Schatten, ein Schritt hinter ihm, wo immer er auch hinging, wartete darauf, ihn zu umarmen, zu umfangen. Er wollte nicht noch einmal auf allen vieren in der Einfahrt landen, in einem Zustand, in dem ein kleiner Teil des Lebens glatt von ihm abgetrennt worden war.
Zitternd warf er einen Blick auf den rechten Sitz des Porsches. Keine Vertiefungen im Polster, keine wandernden Stäubchen.
Bestätigung von objektiver Seite, die dieselben Dinge gesehen hat. Du weißt, dass du nicht verrückt bist. Und ganz bestimmt erfindest du’s auch nicht einfach, damit du wieder einmal scheiterst.
Peter verschränkte die Arme und schloss die Augen.
Du musst nur wissen, was du zu tun hast. Falls Schelling Recht hat, sitzt Daniella in der Falle…
Plötzlich japste er überrascht auf, wie bei einem Schluckauf. Möglich, dass in Wirklichkeit Joseph den Mittelpunkt seiner unmittelbaren Probleme darstellte. Peter hatte keine Ahnung, was er jetzt in Bezug auf die Trans-Apparate unternehmen sollte, die überall auf der Welt verstreut waren. Aber was er sofort tun konnte, war, im Dunkeln nach Malibu zurückzufahren, Joseph im oberen Zimmer aufzusuchen und ihn zu fragen, was, zum Teufel, hier vor sich ging. Ihn zu fragen, was er ahnte oder vermutete, ihn, falls nötig, in die Mangel zu nehmen und aus ihm herauszuquetschen, was er schon seit längerem wusste, bereits zu einem Zeitpunkt gewusst hatte, als die Trans-Apparate noch gar nicht in Salammbo aufgetaucht waren.
Weder Sandaji noch Schelling waren in der Lage gewesen, Peter die Natur des Bösartigen zu beschreiben, das sie in Salammbo verspürt hatten. Sie hatten nur deutlich gemacht, dass sie damit nichts zu tun haben wollten. Ein Mann, der während des Ersten Weltkriegs unvorstellbare Schreckensszenen gesehen hatte und sich jetzt dem Ende eines langen und seltsamen Lebens näherte… so verängstigt wie ein Kind.
Aber die Kernfrage wagte man sich kaum zu stellen: Warum sollte Daniella ausgerechnet in Salammbo vor Fremden erscheinen?
Scragg hatte sich nach Menschen erkundigt, die während der Ermittlung nie erwähnt worden waren. Nach Menschen, auf denen keinerlei Tatverdacht lastete.
Joseph.
Peter fröstelte, obwohl es warm im Wagen war. Auch er selbst empfand eine tiefe, alles beherrschende Furcht, wie er sie bei Mäusen und Kaninchen vermutete, wenn sie gejagt wurden, fühlte sich plötzlich wie ein kleines Tier, das trotz allem darauf hofft, einer höheren Gewalt zu entkommen. Einer Gewalt, die darauf aus ist, es bei lebendigem Leibe zu fressen.
Doch für ihn gab es keinen Schlupfwinkel.
Selbst wenn er in Salammbo etwas Wichtiges erfahren sollte, war da immer noch die Sache mit den Apparaten, mit den Trans, die den Toten die Wege verstellten – was immer das auch bedeuten mochte.
»Was soll ich nur tun, bei allem, was mir heilig ist?«, fragte er laut. Allerdings hatte er bis jetzt nichts Heiliges an der Situation entdecken können. Schreckliches, Angst Erzeugendes, Gefährliches, ja, aber Heiliges schien nicht in dieses Schema zu passen. Was Peter sich am meisten wünschte, während er in seinem alten Wagen in diesem gepflegten Wohlstandsviertel saß, war ein verlässlicher, gütiger Gott, der für Antworten und Führung sorgte. Der graubärtige Gott seiner Kindheit, der ihn willkommen hieß, der Wärme und Verständnis bot.
Und nicht diesen spirituellen Abgrund.
Peter streckte die Hand aus, um den Zündschlüssel herumzudrehen. Er war zu einer Art Entscheidung gekommen: nicht nach
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