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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Salammbo. Noch nicht. Dafür musste er besser vorbereitet sein, auf festerem Boden stehen. Er musste erst einmal zum wahren Mittelpunkt seines Lebens zurückkehren, zu allem, was ihm noch geblieben war.
    Zu Lindsey und Helen.
    Er schlängelte sich durch die sauberen, dunklen Straßen mit ihren alten Straßenlampen aus Milchglas, die ein so warmes Licht wie kleine Monde verbreiteten, und kehrte schließlich zur Schnellstraße zurück. Nach dem Sturm war die Verkehrssituation fürchterlich: überall verstopfte Spuren und Straßen, überall Gehupe, überall Menschen, die aus ihren Wagen ausstiegen und herumstanden, während andere die Scheiben herunterkurbelten, um ihrem Ärger gemeinsam mit den anderen Luft zu machen.
    Überall Staus.
    Keine gute Zeit zum Sterben.

 
Kapitel 37
     
    Lindsey rannte als Erste zur Haustür, nachdem Peter geklingelt hatte. Durch die Fliegengittertür getrennt, blieben beide stehen und tauschten einen Blick aus, der bestätigte, was Peter vermutet hatte. Zumindest für Lindsey hatten sich die Dinge auf ähnliche Weise verändert wie bei ihm zu Hause.
    Sie sah ihn zerknirscht an: »Warum kommst du erst jetzt?«
    »Nun bin ich ja hier, Liebes«, sagte er. »Wo ist deine Mutter?«
    Helen, die in der Küche gewesen war, bog um die Ecke, schaltete das Außenlicht ein, blieb neben Lindsey stehen und musterte Peter argwöhnisch. »Es ist zehn Uhr abends.«
    »Lindsey und ich müssen miteinander reden.«
    »Über was?«, fragte Helen. »Wer hat dich eingeladen?«
    »Sie weiß es nicht?«, fragte Peter seine Tochter.
    Lindsey schüttelte den Kopf.
    »Was weiß ich nicht?«
    »Ich muss mit meiner Tochter reden«, wiederholte Peter. Als Lindsey fragte: »Kannst du nicht ein Weilchen irgendwo anders hingehen, Mom?«, duckte Peter sich innerlich.
    »In diesem Haushalt habe immer noch ich das Sagen, mein Fräulein«, explodierte Helen. »Ich lass mir von niemandem befehlen, aus meinem eigenen Haus zu verschwinden!«
    »Ich platze ja nicht oft so herein«, sagte Peter, um ein gewinnendes Lächeln bemüht.
    »Es ist wichtig, Mom. Und es geht überhaupt nicht um das, was du denkst.«
    Helen trat entgeistert einen Schritt zurück. »Wer hat sich hier je darum geschert, was ich denke, verdammt noch mal? Selbstverständlich habe ich mal wieder keine Ahnung«, sagte sie fuchsteufelswild.
    »Du würdest auch nur ausrasten«, gab Lindsey zurück. Bei diesen Worten traten Helen schier die Augen aus den Höhlen; sie schob Lindsey in die Wohnung und knallte die Tür zu.
    Peter hörte beide herumbrüllen, aber wegen der dicken, gegen Einbruch gesicherten Tür konnte er nicht verstehen, worum es ging. Zwar fühlte er sich irgendwie grässlich und wäre am liebsten gegangen, aber er blieb, lehnte sich gegen die Stuckwand und vergrub die Hände fest in den Hosentaschen.
    Das Geschrei im Innern des Hauses ging fast fünf Minuten so weiter. Er sah gerade auf die Armbanduhr, als die Tür wieder geöffnet wurde. Helen entriegelte die Fliegengittertür und ließ sie auf der Rollschiene zurückgleiten.
    »In meinem Haus habe ich das Sagen«, wiederholte sie nachdrücklich, trat hinaus und machte die Tür hinter sich bis auf einen kleinen Spalt zu. Den Tränen nahe gab sie sich geschlagen. »Es ist das Letzte, was mir geblieben ist. Gnade mir Gott, wenn ich auch das noch verliere. Stimmt doch, oder?« Sie bedachte Peter mit einem Verständnis heischenden Blick, der auf die einzige Weise, in der sie es vermochte, um Unterstützung bat: wortlos. Helen hatte in den letzten zwei Jahren so viele Schläge erlitten, dass sie kaum noch Mumm hatte. Zurückgeblieben waren nichts als Falten und eine tiefe seelische Müdigkeit. Er wusste nicht, was er ihr noch sagen sollte, konnte ihr keine Sicherheit geben, solange er selbst sich in keinem Punkt mehr sicher war. Trotzdem musste er es versuchen.
    Er richtete sich auf. »Es geht nur um einige Dinge, die wir miteinander klären müssen – Vater und Tochter. Ich muss mich wieder auf den letzten Stand bringen, was Lindsey betrifft, das weißt du doch.«
    »Das weiß ich, stimmt.«
    »Nichts, was dich beunruhigen müsste«, fügte Peter lächelnd hinzu. Es tat ihm weh, wie Helen ihn ausforschte, prüfte, ob sein Lächeln noch irgendwelche Gefühle für sie verriet. »Wenn alles vorbei ist, werde ich’s dir erklären.«
    Wies aussieht, werde ich nicht einmal wissen, wo ich ansetzen soll.
    Lindseys Arm schob sich durch den Türspalt und winkte ihn herein.
    »Versprochen?«, fragte Helen und

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