Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
in jüngster Zeit gesehen? Noch vor zwei Wochen war er ein zur Fülle neigender Junggeselle gewesen, der eine magere Existenz fristete und abwartete, wie sich die Dinge für ihn entwickeln würden. Denn auf eine sehr bewegte Jugend war eine lange trübe Zeit gefolgt, in der sich nichts getan hatte. Jetzt hatten sich jede Menge Dinge überstürzt. In seinem Leben wimmelte es nur so vor neuen Entwicklungen.
    Er starrte auf die Nische gegenüber und erwartete halb, dass eine ältere Dame ihn zu seiner hübschen kleinen Tochter beglückwünschte. Und dazu, wie strahlend sie in diesem Licht wirkte. Sie leuchtet ja geradezu.
    Aber die Nische war leer. Das Lokal machte flotten Umsatz; massige Körper kamen und gingen, wandten sich hierhin und dorthin, zu viele, als dass sich hier mit der Zeit transparente Frauen und Männer hätten ansammeln können – Wesen wie Hüllen aus Kristall, die die Spuren von Knochen und Organen Verstorbener bargen.
    Und wenn er lange genug zu Boden sah…
    Er schloss die Augen. Nur von warmem Licht erhellte Dunkelheit. Keine Fußspuren in dem seit Jahren angesammelten, mit Hautschuppen versetzten Staub. Aber vielleicht fegten sie dieses Lokal jeden Abend in mehr als einer Hinsicht aus.
    Falls die Welt für immer verwandelt war, nicht zum alten Zustand zurückkehren konnte, würden sie dann Hausmeister anstellen, um hinter den Gespenstern her zu putzen? Würden sie neue Gerichte auf die Speisekarte setzen – Stärkungsmittel, leichte Zwischenmahlzeiten, Gedenkessen, Gerichte, die mit Wein oder Blut zubereitet wurden?
    Es war fast Mitternacht, als er seine fünfte Tasse Kaffee austrank. Er war hellwach und zum Handeln entschlossen. Vielleicht war es eine gute Zeit, um nach Salammbo hinauszufahren und Joseph ein paar wichtige Fragen zu stellen. Durchaus möglich, dass sie dort noch wach waren.
    Du darfst dir keinen Schlaf mehr gönnen.
    Er dachte an Helen mit ihrer Schlafbrille und der Hautcreme, voll gestopft mit Pillen, blind für alles ringsum – und versuchte dieses Bild mit dem in Verbindung zu bringen, das er von ihrer ersten Begegnung hatte. Mit der munteren, starken Helen, die lächelte und unter der gnadenlosen Sonne auf dem Pacific Coast Highway stolz eine orangenrote Weste in Leuchtfarbe und geflickte Jeans getragen hatte.
    Das Leben nahm einen in die Mangel.
    Vielleicht würde er nie wieder schlafen.
    Als er wieder im Porsche saß, hörte er ein Trans läuten. Er holte den Apparat heraus, den Helen ihm zurückgegeben hatte, aber das Läuten kam nicht von dort. Um es zu orten, sah er sich im Wagen um und spähte auf den Rücksitz. Es kam von vorn.
    Peter öffnete die Haube und stieg aus. Im vorderen Stauraum, unter dem Benzintank, lagen drei Trans-Apparate verborgen, die unter dem hellen Strahl der Straßenlampe in Gold, Schwarz und Weiß funkelten. Peter hatte keine Ahnung, wie die Apparate im Kofferraum gelandet sein konnten, er hatte sie nicht dorthin gelegt. Mit vor Schreck verschärfter Wahrnehmung fand er gleich darauf heraus, welcher der Apparate läutete, und klappte ihn auf, ohne seinen Namen zu nennen. Und hörte am anderen Ende jemand – es klang nach einem Mann – scharf einatmen.
    »Peter, bist du’s? Wer ist dran?« Es war Hank.
    »Peter am Apparat«, erwiderte er förmlich, da er Schlimmes befürchtete.
    »Gott sei Dank. Wie spät ist es bei euch? Ach Scheiße, ist mir auch egal, tut mir Leid. Ich bin immer noch in Prag. Alle anderen haben sich entweder in ihre Zimmer eingeschlossen oder sind abgehauen. Das Hotelpersonal ist gestern Abend auf und davon.«
    In Peters Schädel brummte es. Irgendjemand war zu ihm nach Hause gekommen und hatte die Trans-Apparate in den Porsche verfrachtet. Aber wann? Und warum? »Es ist nach Mitternacht. Wie spät ist es bei euch, Hank?«
    »Es ist Morgen, später Morgen, nehme ich an. Ich wünschte, ich wäre allein, Peter. Sie ist immer noch hier, ist die ganze Nacht da gewesen. Sie macht mich krank. Du würdest mir das hier nicht glauben.«
    »Probier’s aus.«
    »Sie haben die Dreharbeiten unmöglich gemacht. Sie sind überall. Das ganze Team versteckt sich oder versucht, aus Prag herauszukommen. Jack Bishop hat sich gestern aufgehängt, direkt vor dem Hotel, an einem Laternenmast. Er ist einfach mit einem Seil heraufgeklettert und hat sich fallen lassen. Ich hab gesehen, was ihn verfolgt hat. Sah aus wie eine lange Rußwolke. Von seinem Rücken und Kopf hingen dunkle Dinger herunter, wie Blutegel.«
    »Das hier ist nicht mein

Weitere Kostenlose Bücher