Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
Feuerwehrzufahrt, die über einige Hügelkämme bis zur großen Küstenstraße führte.
    Der alte Porsche würde es vielleicht bis dorthin schaffen, falls der Regen nicht allzu viele Furchen und Löcher hinterlassen hatte.

 
Kapitel 46
     
    Du darfst dir keinen Schlaf mehr gönnen.
    Er versuchte erst gar nicht zu schlafen, wollte sich jedoch ein Weilchen ausruhen.
    Er streifte die blutigen und dreckverschmierten Klamotten ab, doch ihm fehlte die Kraft, sich noch abzuduschen. Während er in dem so vertrauten Haus in den Hügeln von Glendale auf dem Bett lag und hörte, wie das Läuten des Windspiels vom Garten herüberdrang, betrachtete er die alte Zimmerdecke mit dem Kiesel-Muster, das an Pop Com erinnerte. Sie strahlte irgendwie Frieden aus. Doch dann wandte er den Blick ab: Ein müder alter Mann stand am Fußende seines Bettes und beobachtete ihn.
    Peter fuhr aus den zerknitterten Laken hoch und setzte sich auf.
    Die Erscheinung des Alten war an den Rändern ausgefranst, aber nicht gänzlich zerfallen – noch nicht. Mit allem Mut, den er aufbringen konnte, blieb Peter einige Minuten so still wie möglich liegen, bis ihm die Beine schließlich taub wurden. Zwar bewegte sich der alte Mann kaum – er zog nur langsam die Schultern hoch, ließ sie wieder fallen und wandte auf eine Weise, die fast mechanisch wirkte, den Kopf –, dennoch glaubte Peter ihn zu erkennen.
    Diesmal kam der Geist nicht aus der Vergangenheit, war kein Gespenst. Es war ein umherirrender Teil seiner selbst, von Peter Russell.
    »Ihr Leute habt wirklich was fürs Fußende übrig, wie?«, fragte Peter ungehalten. »Warum?«
    Die Gestalt zeigte sich leicht überrascht und streckte abwehrend eine Hand hoch. Während sich der Blick der leeren Augen konzentrierte und den Ausdruck von Angst und Bestürzung annahm, verblassten die Umrisse zu hauchdünnen Fetzen, flimmerten noch einmal kurz auf und verschwanden.
    Peter stand auf und schlüpfte in seine Pantoffeln. Falls Sandaji Recht hatte, bedeutete diese Konfrontation mit der eigenen Erscheinung, dass er bald sterben würde. »Ach, was soll’s«, murmelte er, als er sich mit eingeschlafenen Beinen, in denen es kribbelte, auf den Weg zur Dusche machte.
    Nie hätte er gedacht, so alt und grau wirken zu können, aber als er sich selbst im Spiegel des Badezimmers musterte, konnte er die Ähnlichkeit mit der Erscheinung nicht leugnen. Die Kratzer an seiner Kehle hatten sich verkrustet. Er sah wie jemand aus, der sich aus der Mülltonne ernährt, wie einer jener Landstreicher, die an Schnellstraßen Pappschilder hochhalten.
    Als er in die Duschkabine trat und den Heißwasserhahn aufdrehte, sagte er in müdem, aber durchaus vernünftigem Ton: »Diese Scheiße muss aufhören.«

 
Kapitel 47
     
    Während sich Peter im Badezimmer abtrocknete, hörte er Radio. Eine Zeitung hatte er schon seit Jahren nicht mehr abonniert. Der Nachrichtensprecher ließ sich mit dröhnender Stimme darüber aus, dass ein Anwesen in Malibu in Flammen aufgegangen sei. Zwei Herrenhäuser seien völlig zerstört, die Ruinen aber noch so glühend heiß, dass man die Brandursache noch nicht habe ermitteln können. Der Filmproduzent und Immobilienmagnat Joseph Adrian Benoliel, der sich dorthin zurückgezogen habe, und seine Frau Michelle würden beide noch vermisst.
    Unbekümmert fuhr der Sprecher mit weiteren schlechten Nachrichten des Tages fort. Führende Telefongesellschaften hätten derzeit mit schlimmen Ausfällen zu kämpfen. In vielen Landesteilen sei sowohl das Festnetz als auch das Netz für Mobiltelefone zusammengebrochen, Abermillionen von Kunden seien davon betroffen. Die Ursache der Störungen sei noch nicht bekannt.
    Während Peter sein Hemd zuknöpfte und ins Wohnzimmer ging, warf er einen Blick auf das Schachbrett im Enzenbacher-Design. Irgendjemand hatte auf seinen Schachzug reagiert: Inzwischen war ein Springer – dargestellt als Privatdetektiv im Trenchcoat – vorgerückt und bedrohte Peters Bauern.
    Durch das vordere Fenster betrachtete er den Jasmin und den Himmel, der sich gerade bedeckte, und merkte dabei, wie jemand über die Veranda ging. Gleich darauf bimmelte die Soleri-Glocke, und der Türknauf drehte sich.
    Nachdem er sich das Hemd zugeknöpft und den Reißverschluss der Hose zugezogen hatte, war er zu allen Schandtaten bereit.
    Lindsey stand in der Tür und drückte sie weit auf. »Bloß gut, dass du wieder da bist«, sagte sie. »Die Telefone funktionieren nicht mehr, und Mom ist schon halb

Weitere Kostenlose Bücher