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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Geschöpfe deiner Art verursacht haben… Alle Mörder, alle Verbrecher, all die jämmerlichen leeren Gehäuse, die ihr mit Mordlust und Kummer ausgefüllt habt. Durch all das wate ich gerade, durch reinsten Alkohol aus Hass. Komm schon raus. Zeig dich, Michelle, oder wie du sonst heißen magst. Hast du überhaupt irgendeinen Namen?«
    »Falls du auch nur einen Schritt näher kommst, werde ich dir Schlimmeres antun, als dich nur umzubringen«, brüllte Michelle im vergeblichen Versuch, die alte Arroganz und Sicherheit zurückzugewinnen.
    »Zu spät«, sagte Peter und gab einem heftigen Hustenanfall nach. Als er sich davon erholte, verstand er plötzlich, warum Michelle die Trans-Apparate hatte verbreiten wollen, warum sie jedem, der ihr begegnete, ein Trans in die Hand gedrückt hatte. So als verfolgte er die Verästelungen eines Farbkleckses zurück zum Ursprung, stieß er schließlich zum Kern vor. Für das, was in Michelle wohnte – für den Krebs in seinem armseligen Gehäuse –, war es eine Überlebensstrategie. Trans veränderte die Atmosphäre, war wie ein Rauchvorhang, sorgte für Tarnung und Ablenkungsmanöver, indem es in der ganzen unsichtbaren Welt neue Entwicklungen auslöste.
    Und das konnte einen Jäger von der ursprünglichen Spur abbringen.
    Nur hatte Michelle nicht mit solchen Nebenwirkungen gerechnet.
    Das hatte niemand.
     
    •
     
    Keine der Türen war verschlossen. Zwei führten in ganz gewöhnliche Zimmer, die inzwischen so eingerichtet waren, dass sie wie die Vorführräume eines Möbelladens wirkten. Sein Blick fiel auf alltägliches Mobiliar, alltägliche, wenn auch antike Tapeten, die üblichen Pastellfarben. Alles trug die Maske der Normalität, war deutlich darauf angelegt, sich in die Normalwelt einzupassen und nicht die geringste Beunruhigung aufkommen zu lassen.
    Mehr Bedeutung war dieser Einrichtung nicht beizumessen – dennoch sagte sie in Verbindung mit allem anderen einiges aus.
    Beim dritten Versuch fand er die richtige Tür.
     
    •
     
    Bei dem Zimmer hinter der Tür waren Mauern herausgerissen worden, doch weitere Arbeiten waren nicht erfolgt. Es war nur ein kleiner, enger Raum, der auf seine Renovierung wartete. Peter bemerkte Leisten und Mörtelbrocken, einen staubigen Parkettfußboden, ein Fenster.
    Ein dünner Strom giftiger Ausdünstungen umspülte seine Füße.
    Plötzlich hatte er ein seltsam leeres Gefühl in der Brust. Was er sah und was er empfand, konnte er nicht gleich in Einklang miteinander bringen. Stets hatte er sich gefreut, Michelle zu treffen, stets hatte er sich für das interessiert, was sie zu erzählen hatte, gespannt darauf, welche Anekdoten über Josephs teure, exzentrische Spleens sie diesmal beisteuern würde. Sie hatte tatsächlich eine sehr sympathische Maske getragen und damit jeden getäuscht.
    Vielleicht hatte der Einsiedlerkrebs etwas von der wahren Michelle benutzt, aber das würde er niemals erfahren, denn diese Michelle war für immer verschwunden. Das, was zurückgeblieben war, hatte sich in der gegenüberliegenden Zimmerecke verschanzt. Sie trug ein gerade geschnittenes, ärmelloses Kleid, das die dünnen Arme und mageren Beine noch betonte. Nichts erinnerte mehr an irgendwelche Züge früherer Schönheit. Mit dem blassen Gesicht und den abstehenden, verfilzten Haaren wirkte sie nur noch alt, über die besten Jahre hinaus.
    Diese Gestalt konnte er nicht hassen. Der Dunst zog sich von seinen Füßen zurück, so dass er plötzlich im leeren Raum stand, und kroch auf die Ecke zu.
    »Warum meine Tochter?«, fragte er. »Was hat sie dir je getan?«
    »Peter, bitte.« Sie hob die Arme hoch, so dass die Ellbogen wie Schutzschilde vorgestreckt waren. Eine Hand umklammerte eine schwarze Beretta. Ihre Augen wanderten zur Tür.
    »Du hast gesagt, du hättest einiges mit mir vor«, rief ihr Peter ins Gedächtnis. »Du hast mir geholfen. Warum also hast du Daniella umgebracht?« Er hielt die Strickjacke hoch. »Was hat meine Tochter je getan, um so etwas zu verdienen?«
    »Mit dir hatte ich was vor, nicht mit ihr.« Sie wich zurück, ließ die Arme sinken und sammelte alle Kraft für einen letzten Schachzug. »Es macht die Menschen nur besser, wenn man ihnen das nimmt, was sie am meisten schätzen.« Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Die Traurigkeit hat dir gut getan, Peter. Wie sehr du doch gereift bist!« Gleich darauf weiteten sich ihre Augen so, dass sie wie ein Lemur aussah. Sie fröstelte. Obwohl Peter ihr nicht im Mindesten Angst

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