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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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von Zimmer zu Zimmer eilten, tauschte Weinstein Grüße aus. Alle hatten tiefe Ringe um die Augen.
    »Der Ort, den ich Ihnen zeigen will, gehört zu dem Block, den wir angemietet haben. Liegt sozusagen zentral für uns, ist leicht zugänglich, derzeit nicht belegt und… na ja, steht eigentlich leer. Ein Ort, dessen finstere Geschichte handgreiflich zu spüren ist. Könnte einen wunderbaren Hintergrund für eine Werbeproduktion abgeben. Außerdem wüssten wir auch nicht, was wir sonst damit anfangen sollten. Schließlich wollen wir ihn ja nicht für Touristen öffnen, nicht wahr?«
    Peters Augen brannten von der Anstrengung, jedes Zwinkern zu unterdrücken. Er ging hinter Weinstein her, der schon wieder abbog. Gleich darauf kamen sie an einer alten Stahltür vorbei, auf der die Aufschrift ZUTRITT NUR FÜR DEN AMTSARZT prangte. An der nächsten Tür, sie lag an einer Stelle, an der der Gang eine leichte Kurve beschrieb, klebte das Schild BEOBACHTER. Die dritte Tür, unmittelbar daneben, war mit der Aufschrift GOUVERNEUR/ GEFÄNGNISDIREKTOR gekennzeichnet. Alle drei Türen waren mit Vorhängeschlössern gesichert.
    »In diesen Räumen haben wir Serverstationen untergebracht«, sagte Weinstein. »Wir verdienen zusätzliches Geld damit, dass wir Internet-Auftritte und Datenpflege für Fremdfirmen übernehmen, außerdem auch Werbung.«
    »Spams?«, fragte Peter.
    »Spams«, bestätigte Weinstein ohne jedes Anzeichen von Verlegenheit.
    Als sie an einer mobilen Trennwand auf Rädern angekommen waren und Weinstein den Vorhang zur Seite schob, wirbelte eine Staubwolke auf. Durch ein schweres Eisentor, gesichert mit einer Kette und einem Vorhängeschloss, das Weinstein öffnete, traten sie in einen kleinen Vorraum. Im Vorbeigehen strich Weinstein so über die Kette, dass sie rasselte und noch mehr Staub aufstob. »Toller Ort für einen Halloween-Streich, finden Sie nicht?«
    Peter ging jetzt langsamer und blieb schließlich überrascht stehen, denn der Vorraum ging in ein hohes Turmgewölbe über. Nachdem er es von oben bis unten gemustert hatte, drehte er sich langsam im Kreis, um den achteckigen Turm, der von einer Kuppel gekrönt wurde, genauer zu betrachten. Die Höhe schätzte er auf fast fünfundzwanzig Meter, den Durchmesser auf mehr als zwanzig. Dunkle Eisenträger stützten das spitz zulaufende Kupferdach. Dazwischen waren überall kleine Fenster eingelassen, die dafür sorgten, dass der obere Turmabschnitt in diffuses Licht getaucht war, in dem Sonnenstäubchen tanzten.
    »Früher hat man das hier den Altarraum genannt«, bemerkte Weinstein mit einer Ehrfurcht, die ihm gar nicht ähnlich sah, und trat zur Seite. »Wirkt wie der Chorraum in einer Kirche. Sind Sie Katholik?«
    Widerwillig wandte Peter den Blick vom dürftigen Tageslicht ab, das sich oben an der Kuppel gesammelt hatte. An der gegenüberliegenden Wand, im Schatten kaum zu erkennen, befand sich eine sechseckige Kammer, die auf einem Betonsockel ruhte und ebenfalls von einer spitz zulaufenden Kuppel im Miniaturformat gekrönt wurde. Ein Eisengeländer, das einen Halbkreis vor der Kammer beschrieb, grenzte den absonderlichen Bau – auf Peter wirkte er wie eine winzige Kathedrale – vom Rest des Raumes ab. In den Fußboden hinter dem Geländer waren Abflussroste aus schwarzem Eisen eingelassen, die wie unheimliche Ornamente wirkten. Die Wände der Kammer bestanden aus vernieteten, gehämmerten Stahlplatten, die in einem grässlichen Grünton gestrichen waren. Drei Fenster aus dickem Glas, deren Rahmen mit Bolzen gesichert waren, gewährten Einblick in den dunklen Innenraum. Irgendjemand hatte das mittlere Fenster mit einem Autoaufkleber versehen, auf dem zu lesen war: WENN DU JESUS LIEBST GIB HUPZEICHEN. Bis auf einige Lämpchen, die rot, weiß und grün blinkten, konnte Peter in der Kammer nichts entdecken.
    Drei lange, ungeteilte Aussichtsfenster, die einen Blick auf die Kammer boten, nahmen den größten Teil der inneren Betonmauer zu Peters Linken ein. Alle hatten innen Vorhänge, die jetzt zugezogen waren. Peter schloss daraus, dass die Türen an der gewölbten Außenwand zu den Räumen führen mussten, die hinter diesen Fenstern lagen. Er malte sich aus, wie ausgewählte Besucher diese Räume betraten und den Blick so lange konzentrierten, bis sie nur noch die Kammer wahrnahmen – den Tod ins Visier nahmen, dessen Zeugen sie bald sein würden.
    »Voilà«, sagte Weinstein. »Welchen Effekt können wir damit erzielen? Ade, barbarische Vergangenheit

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