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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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mehrmals, ohne dass er es zu unterdrücken versuchte. Im Tageslicht war von der blassen, schwärzlich-blauen Welt nichts zu erkennen. Nachdem Peter dem Sicherheitschef den Firmenpass zurückgegeben hatte, verabschiedeten sie sich mit festem Händedruck voneinander.
    »Wir müssen kühn an die Sache herangehen«, verkündete Weinstein.
    »Richtig«, erwiderte Peter.
    »Trans ist wie ein Spaziergang auf dem Mond – sagt jedenfalls Arpad.« Weinstein schüttelte bewundernd, fast schon verzückt den Kopf. »Das sollten Sie sich notieren. Ein durch und durch genialer Mensch.«

 
Kapitel 17
     
    Mit dem Geld in den Taschen und einem voll getankten Porsche fuhr er auf der 5 zügig nach Süden, da er so schnell wie möglich nach Los Angeles wollte. Die mühelos zu bewältigende gerade Schnellstraße und das gleichmäßige, reibungslose Rattern des luftgekühlten Motors hatten eine ähnlich beruhigende Wirkung wie ein in Einsamkeit genossenes Musikstück – oder hätten so wirken können, wäre Peter nicht sicher gewesen, den Verstand zu verlieren. Je mehr Kilometer er hinter sich brachte, desto weniger war ihm klar, ob er auf etwas zusteuerte oder vor etwas davonfuhr, etwas suchte oder vor etwas floh.
    Um die Situation zu klären, ehe er es womöglich satt bekam, die Dinge oder seine Wahrnehmung der Dinge immer wieder durchzukauen, sprach er die jüngsten Ereignisse mit sich selbst durch und betrachtete dabei seine Augen im Rückspiegel.
    Angefangen hatte alles mit Sandaji in Pasadena – oder noch früher, in Salammbo.
    Angefangen hatte alles mit Phil.
    Der von Lastwagenspuren zerfurchte Asphalt spielte so teuflisch mit den Wagenrädern, dass sie im steten Rhythmus drei Silben zu wiederholen schienen: San-daji, Sa-lamm-bo. San-daji, Sa-lamm-bo. Er rekapitulierte:
    Lydia, die ihren Gefühlen freien Lauf gelassen hatte. Ihre Emotionen waren so gegenwärtig gewesen, als könnten auch Lebende Geistererscheinungen erzeugen.
    Die aalglatten Schatten, die so scharf darauf gewesen waren, in Phils Schlafzimmer einzudringen.
    Die ausgewaschene Gestalt des Alten, die Phantome der Kinder am Strand.
    Plötzlich verlangte es ihn nach Musik, er versuchte irgendeine Melodie zu summen. Das Autoradio war schon seit Jahren kaputt, aber jetzt vermisste er das Geschwätz und den Lärm der geschäftigen Welt da draußen, die Talkshows, die Popmusik, die Predigten. Es lagen jede Menge Informationen in der Luft, man brauchte lediglich einen Empfänger; aber seiner funktionierte nicht.
    Oder hatte bis vor kurzem nicht funktioniert.
    »Ich weiß ja selbst nicht, worauf all das Grübeln hinauslaufen soll, verdammt noch mal«, brüllte er und kurbelte das Fenster hinunter, nur um den Luftzug aus Central Valley zu spüren. Sogleich verwandelte sich das Wageninnere in einen rauschenden, heftig pulsierenden Blasebalg. »Ich bin kein Empfänger, ich versuche keineswegs, mich auf die Wellenlänge irgendeiner anderen Welt einzustellen.«
    An einem Rastplatz hielt er an, stieg aus, streckte die Beine und sah zu, wie Leute ihre Vierbeiner auf die Hundewiese führten. Dabei bemühte er sich voll innerer Unruhe und böser Vorahnung, den Blick nicht zu lange auf eine bestimmte Person oder Stelle zu richten.
    Was, wenn manche Dinge, die man täglich sieht, in Wirklichkeit gar nicht existieren? Was, wenn sie lediglich normal scheinen? Man tauscht ja nur selten Eindrücke mit einem anderen Menschen aus, oder? Man hat auch keine Videokamera dabei; man kann nicht jede Minute des täglichen Lebens aufzeichnen und nachprüfen, ob man irgendetwas gesehen hat, das eigentlich gar nicht da war.
    Er senkte den Kopf, weil er schon wieder dabei war, sich in solchen Gedanken zu verlieren. »Ach, Quatsch«, murmelte er fast unhörbar, »ist doch alles Unsinn. Ich verlier nur deshalb den Faden, weil ich Angst davor habe, mir wieder mal was Neues aufzuhalsen.«
    Als eine ältere Dame in Hörweite kam, biss er die Zähne zusammen. Die weißhaarige Frau trug ein Kleid mit Blumenmuster und altmodische weiße Halbschuhe – orthopädische, wie Krankenschwestern sie bevorzugen. In beiden Ohren steckten rosa Hörgeräte, die wie kleine Plastikpilze aussahen. Ein Spitz an einer kurzen, straff gespannten Leine zog sie vorwärts.
    »Einen schönen Tag«, bemerkte sie und nickte freundlich. Dem Hund, der wie wild das Gebüsch beäugte und schnell darauf zustrebte, hing die Zunge heraus. Die alte Frau bedachte Peter mit der gütigen Miene einer Großmutter: Ihr Mund verzog sich zu einem

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