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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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dieser warmen Nacht zum Zudecken brauchte. Draußen ging eine leichte Brise, frisch und ihm sehr willkommen; hinten bimmelten die Glöckchen im Wind. Ach, wie angenehm es im Bett war.
    Er war mitten in einem Traum, in dem es um den Aufbau des Drehorts und um Schauspieler ging, als jemand an die Eingangstür klopfte und die Soleri-Glocke anschlug. Peter hatte einen leichten Schlaf. Das war auch gut so, denn das Haus war alt und für Einbrecher leicht zugänglich. Diebe waren ihm zuwider. Er streifte einen Bademantel über und schlurfte mit nackten Füßen über das Parkett und die Fliesen, um nachzusehen, wer da war. Er starrte durch das Glas, erkannte Carla Wyss, rieb sich die Augen und öffnete.
    Carla erwiderte seinen starren Blick und sah gleich darauf wie ein kleines Mädchen, das unsicher ist, auf ihre Füße und Knie. »Dieser Scheißkerl«, sagte sie. »Es ist aus.«
    »Was ist aus?«
    »Ich bin ein Schwachkopf, bin einfach zu alt für so was.«
    »Du bist nicht zu alt«, versicherte Peter, gähnte und machte die Tür weiter auf. »Was ist passiert?«
    »Das, was immer passiert. Diesmal wusste selbst ich dumme alte Kuh, dass es passieren würde, und war darauf vorbereitet. Ich hab ihn verprügelt, ihm die Wange zerkratzt und getobt, hab mich echt wie eine Furie aufgeführt, Peter.« Jetzt begannen die Tränen zu fließen und rannen feucht an ihren Wangen herunter, während sie mit einwärts gedrehten Zehen in Ledermini, weißer Bluse, Netzstrümpfen und hochhackigen schwarzen Pumps auf den Fliesen stand. »Bin ich wirklich so ein Miststück?«
    »Nur, wenn du gar nicht anders kannst«, erwiderte Peter, der immer noch abwartend dastand. Er würde sie nicht wegschicken. Schließlich war sie einmal seine Geliebte gewesen und immer noch eine Freundin. Er wusste nicht, wie ihr im Augenblick zu helfen war, und noch weniger, was sie von ihm wollte.
    »Du bist der einzige Mann, der jemals anständig zu mir gewesen ist«, sagte Carla mit bebenden Lippen. »Und ich hab dich so schlecht behandelt.«
    »Das entspricht aber gar nicht meinen Erinnerungen.«
    Sie sah ihn direkt an. »Ist ja auch egal jetzt, spielt sowieso keine Rolle mehr. Aber bin ich wirklich so was wie eine alte Hexe?«
    »Du bist wunderbar, und das weißt du auch.«
    »Ich fühle mich wie eine Abfalltüte, die irgendjemand am Rinnstein hat stehen lassen. Ich bemühe mich wirklich, mich nicht runterziehen zu lassen«, fuhr sie nach einem verschluckten Schluchzer fort, »aber die Welt versetzt mir einfach einen Schlag nach dem anderen.« Sie sprach leise und in vernünftigem Ton, ließ jedoch die Hände baumeln und hatte im Gesicht jede Farbe verloren.
    Das machte ihn nervös. Gesichter ohne jede Farbe waren ihm inzwischen suspekt.
    »Tee!«, verkündete Peter.
    »Was?«
    »Du brauchst jetzt einen schönen heißen Tee.«
    Ihre traurige, finstere Miene hellte sich auf, und sie wischte sich über die Wangen. Keine Streifen von Wimperntusche, Gott sei Dank. »O ja«, sagte sie. »Und Schokolade. Hast du Schokolade da?«
    »Reicht dir die von Godiva?«
    Als sie erfreut aufsah, wirkte sie mehr denn je wie ein kleines Mädchen. »Wirklich? Du hast Godiva-Schokolade da?«
    »Tee, die beste Schokoladensorte und Mitgefühl.«
    »Ach, Peter.« Sie bemühte sich um ein durchtriebenes Grinsen. »Ich bin ein regelrechter Schokoladen-Vampir, und du bist mein Opfer. Du bist wirklich einmalig!« Gleich darauf kamen ihr wieder die Tränen. Peter legte ihr den Arm um die Schulter und schob sie in die Küche.
    »Ich halte die Schokolade unter Verschluss«, bemerkte er. »Die Putzfrau stibitzt sie sonst.«
     
    •
     
    Es war deutlich zu merken, dass Carla nicht der Sinn nach Sex stand, aber Peter machte das nichts aus. Ursprünglich hatte er zwar durchaus Lust gehabt, aber ihm war schnell klar geworden, dass er eigentlich viel zu müde dazu war. Er war schon froh, überhaupt Gesellschaft zu haben.
    Sie holte ein Blackberry-Handy mit Internetanschluss aus der Handtasche – Blackberry war die unerlässliche Marke für Schauspielerinnen und Schauspieler, die auf Anrufe oder E-Mails von Agenten hofften –, schaltete den telefonischen Empfang ab, zog sich im Badezimmer aus und streifte sich eines seiner alten Hemden über. Normalerweise fand er das bei Frauen überaus aufreizend. Aber als sie sich neben ihn ins Bett legte, zog sie ein solches Gesicht, dass ihm das letzte bisschen Erektion verging. Sie wirkte völlig verloren und verunsichert.
    Peter schmiegte sich an

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