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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Jahren schwarz angelaufen war, und schloss die Tür zu seinem Büro im Untergeschoss auf. Hinten im Keller hatte er den Fußboden und einen Teil der Wand mit Plastik abgedeckt, denn nach heftigen Regengüssen sickerte dort manchmal Feuchtigkeit durch. Mittlerweile hatte sich das Klebeband gelöst, mit dem die Plastikfolie am Beton befestigt gewesen war, so dass sich die Folie zu seinem Leidwesen hochgerollt hatte und das Wasser in einen Karton mit alten Zeitungen eingedrungen war. Vor Zeiten war Peter ein Sammler gewesen, der alles aufgehoben hatte: jede Menge Zeitschriften und Zeitungen, die er irgendwann durchforsten wollte, um bestimmte Artikel auszuschneiden und sie in eine seit langem geplante Zusammenstellung von Zitaten, Bonmots und philosophischen Essays aufzunehmen. Doch vor zwei Jahren hatte das ein Ende gefunden. Sein Büro hatte er seit einem Jahr nicht mehr betreten.
    Ein großer Stahlschreibtisch aus ausgemusterten Armeebeständen nahm eine ganze Ecke des Büros ein. Auf der Platte thronten ein alter IBM-Computer, eine Reiseschreibmaschine der Marke Olivetti und Papierstapel, die er ebenfalls mit Plastikfolie abgedeckt hatte. Dahinter stand ein leicht verzogenes Holzregal, voll gestopft mit Taschenbüchern, die zum Teil feucht geworden waren und sich bereits wölbten. Der ganze Raum roch modrig. Um ein bisschen Luft hereinzulassen, machte er das Oberfenster in der Nordwand auf.
    Auf dem riesigen Zeichentisch an der Südwand lag immer noch ein aufgeklebter Fotocomic, an dem er vor Zeiten gearbeitet hatte. Aufkleber mit Dialogen hatten sich vom Papier gelöst und waren bis zur Metallschiene gerutscht, die vorn am Tisch als Schutzleiste angebracht war. Die zufällige Anordnung ergab witzige Aussagen:
     
He, hier hat jemand Feuer gefangen /
mit ganzer Leidenschaft / eine gekochte Zwiebel.
Du siehst aus wie / knirschendes Metall auf der Schnellstraße.
Mach dir keine Sorgen, Kleiner / lass deine H‘s weg.
     
    Peter starrte auf das alte Projekt. Schnee von gestern. Er wusste, dass hier irgendwo noch ein Block sein musste, der speziell für Storyboards, wie sie beim Fernsehen verlangt wurden, vorstrukturiert war; im Design sicher völlig veraltet, aber immer noch brauchbar. Er kramte so lange in halb vermoderten Blöcken und Zeichenpapier herum, bis er diesen speziellen Block gefunden hatte, räumte den Zeichentisch leer und verstaute die losen Textaufkleber in einem kleinen Beutel. Nachdem er die unvollendete Seite in den hohen Eckschrank gelegt hatte – einen metallenen Aktenschrank, in dem er Entwürfe aufbewahrte, schaltete er das Deckenlicht und die Lampe über dem Zeichentisch ein.
    Peter war sechzehn Jahre alt, als er von Buffalo im Staate New York nach San Francisco floh, um den Schrecken seines Elternhauses und der Schule zu entkommen. Er landete dort genau rechtzeitig, um die Licht- und Schattenseiten von Haight-Ashbury voll mitzuerleben. Das Wunderbare dieser Zeit, aber auch ihre von Drogenkonsum bestimmten, abstoßenden Aspekte – nicht zu vergessen der Sex – hatten ihn nachhaltig geprägt und ihm grundlegende Tricks zum Überleben vermittelt, von denen er bis heute profitierte.
    Als ihm das Geld ausging und sein Vater sich weigerte, die R-Gespräche anzunehmen und zu zahlen, die Peter sowieso nur widerstrebend anmeldete, entschloss er sich dazu, der Einberufung zum Militärdienst nicht länger aus dem Weg zu gehen. Die Voraussetzung für den Aufschub – die Einschreibung an einer Universität – erfüllte er längst nicht mehr; er hatte tricksen müssen, um die Verlängerung durchzusetzen. An einem regnerischen Novembertag des Jahres 1966 stellte er sich der Musterung und wurde bald darauf zur Grundausbildung nach Camp Lejeune in North Carolina geschickt. Mit der für die Armee typischen Effizienz verfrachtete man ihn unmittelbar danach wieder nach Kalifornien, wo er zweieinhalb Jahre in Fort Hunter Liggett dienen sollte. Ein relativ intelligenter Sergeant, der Peters Vorliebe für Comics teilte, sorgte für seine Immatrikulation an der Hochschule für Geschichte und Journalismus. Dort gab es einen kleinen Studienzweig, der darauf abzielte, Autoren zu fördern, die dem kulturellen Gift der protestierenden Hippies entgegenwirkten.
    Peter fand sich in einem Umfeld wieder, das größtenteils von verwöhnten Söhnen aus Familien der Mittelschicht bestimmt wurde. In der Regel waren deren Eltern Anhänger der Demokratischen Partei und lebten an der Ostküste, die meisten in New York. Weit davon

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