Stimmen
entfernt, Hippies als gesellschaftliches Gift zu betrachten, verbrachte Peter seine ganze Freizeit in Berkeley und Oakland. Dort ging er allen Drogen, die härter waren als Bier oder Haschisch, aus dem Weg, hatte aber eine erotische Beziehung nach der anderen. Die Frauen, mit denen er für gewisse Zeit zusammenlebte, waren alle leicht chaotisch, künstlerisch interessiert und Ende zwanzig. Eine dieser Freundinnen, die ihm sowohl Nachhilfe in gesunder Ernährung als auch in der Kunst des Cunnilingus erteilte, verkaufte ihm seine erste Kamera, eine gebrauchte Nikon mit zwei schon recht lädierten Objektiven. Peter gab ihr zwanzig Dollar für den Apparat, der ihrem Verlobten gehört hatte, einem Fotojournalisten, der in Mexiko ums Leben gekommen war. Irgendwo musste diese Kamera immer noch bei ihm herumliegen.
Irgendwann ließ sie sich darauf ein, für ihn auf der Couch vor dem großen Erkerfenster ihrer Altbauwohnung in Oakland zu posieren. Sie hatte Klasse. Mit ihrem blassen, aristokratischen Gesicht, den großen, tiefschwarzen Augen und dem krausen, kastanienbraunen Haar wirkte sie auf aparte Weise schön und geschmeidig, auch wenn ihr Körper nicht nur Assoziationen an Werke Gustav Klimts, sondern auch an Magersucht weckte. Peter gelang es, sie so zu fotografieren, dass sie betörend schön und aufreizend wirkte.
Sobald er dieses neue Talent an sich entdeckt hatte, legte er die hundert vollendeten Seiten seines ersten Romans beiseite und schickte Fotoserien an verschiedene Verlage.
Beeindruckt von Peters künstlerischer Ader, seiner Fähigkeit, »eine Bohnenstange in das klassische Ideal feuchter Männerträume zu verwandeln«, wie sie es ausdrückte, brachte Peters Geliebte drei Freundinnen mit ins Spiel, die mehr über »künstlerische Fotografie« erfahren wollten. Außerdem ermutigte sie Peter nicht nur dazu, sie alle zu fotografieren, sondern auch mit ihnen zu schlafen.
Eine erstaunliche Frau, eine erstaunliche Zeit.
1969 kam sie durch einen Verkehrsunfall ums Leben. Peter, inzwischen aus der Armee entlassen und ohne feste Arbeit, verlor damit auch seine Bleibe. Irgendwann im selben Jahr landete er mehr oder weniger zufällig in einem Filmstudio, das, vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen, in einem ehemaligen Lagerhaus residierte. Es war eine zugige, düstere Höhle voller Staub, die nur hin und wieder von Filmscheinwerfern erhellt wurde. Auf den schmutzigen Gängen zwischen den miesen, zusammengestoppelten Kulissen schlenderten Schauspielerinnen und Schauspieler hin und her, die unter ihren offenen Bademänteln nackt waren, Badeschlappen trugen und selbst gedrehte Joints rauchten. Was hier im Entstehen begriffen war, war ein billiger Pornofilm. Es war der zweite Drehtag.
Während der Kameramann erschöpft und verzagt in einer Ecke hockte, sah Peter zum ersten Mal durch das Objektiv einer Sechzehn-Millimeter-Arriflex. Er bot an, einen neuen Film einzulegen, behauptete, er habe in der Armee als Kameramann gearbeitet, was schlichtweg gelogen war. Der Produzent, ein kleiner, magerer Dandy mit Stetson-Hut, der sich Brock Werst nannte, schreckte daraufhin aus einem von eintönigen Flüchen unterbrochenen Hustenanfall hoch und schlug ohne jede Ironie vor, Peter könne als Kulissenschieber arbeiten oder für die Feineinstellungen der Kamera sorgen, vielleicht sogar selbst filmen. Was er denn von einem Job als Leiter des Kamerateams halte?
Als der Regisseur am nächsten Tag nicht auftauchte, übernahm Peter auch dessen Job. Werst, der sich gerade mit den Folgen seiner Kokainsucht herumschlug und voll damit beschäftigt war, sein ständiges Nasenbluten zu stillen, vertraute ihm schließlich auch noch das zehnseitige Drehbuch an.
Am Abend, als Peter in seinem winzigen Hotelzimmer an der Shattuck Avenue saß, machte er sich daran, das Manuskript zu dreißig Seiten aufzublasen und auf dem vorstrukturierten Zeichenblock der Marke Walter T. Foster ein Drehbuch zu erstellen. Pflichtbewusst erschien er am nächsten Tag im Lagerhaus, eine weiße Baseballkappe auf dem Kopf. Mit Filzstift gekritzelt, stand vorne über dem Schirm: Ab sofort bin ich der Regisseur und hinten Steckt euch den Film sonst wohin. Die Schauspieler waren begeistert, Werst lachte und verkündete: »Du bist unser Mann, Scheiße noch mal!«
Der Film kam tatsächlich heraus – witschte durch die Zensur, wie manche behaupteten – und firmierte als ein Werk des Regisseurs Regent King. Für den nächsten Film, Peter drehte ihn in der Folgewoche
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