Stimmen
wir verabschieden uns hier drinnen«, bemerkte sie steif, während sie das Schlafzimmer verließ.
Durch das große Wohnzimmerfenster strömte die Sonne, drang mit ihren Strahlen bis zur Rückenlehne der Couch vor und zeichnete einen goldenen Streifen auf den Boden. Als Carla bei der Haustür stehen blieb, ging Peter ihr im Bademantel nach und beugte sich vor, um ihr einen Abschiedskuss zu geben, ebenfalls sehr formell.
»Mein Hochglanzfoto hätte ich immer noch gern.« Carla klang jetzt wieder völlig sachlich. »Ich hab keine Abzüge mehr.«
»Hast du sie an deine Lover verteilt?«
Sie verzog das Gesicht. »An Agenten und Halunken. Manche waren auch Geliebte. Ist das nicht pervers, Andenken an Affären einzusacken?«
»Schätze schon.«
Während Carla die Tür aufschloss und öffnete, hörte Peter eine andere Frau kommen. »Entschuldigung.« Carla trat von der Tür zurück.
Hereinspaziert kam Helen, die den Blick sofort durch das Zimmer schweifen ließ, feststellte, dass Peter nur einen Bademantel trug, und Carla von oben bis unten taxierte. Sie wirkte keineswegs konsterniert, sondern lächelte.
»Ist schon lange her seit dem letzten Mal, stimmt’s, Peter?«, bemerkte Helen, während Carla irgendetwas murmelte und sich nach draußen verzog. »Laufen Sie nicht so zornig weg, draußen ist’s eh schon heiß«, rief Helen ihr nach. Sie schloss die Tür, holte tief Luft und setzte nach: »Hauptsache, du verschwindest überhaupt.«
•
Helen schien seine Verlegenheit zu genießen. Sie nahm auf der Couch Platz, breitete die Arme lässig über die Rückenlehne und betrachtete Peter, der, die Hände tief in die Taschen des Bademantels vergraben, in der Mitte des Zimmers stehen geblieben war. »Immer noch kein Bier?«, fragte sie.
»Nein. – Wo ist Lindsey?«
»In der Schule, du Dummerchen. Aber heute Abend bist du an der Reihe, ich bin nämlich sehr auf deine Unterstützung angewiesen. Gegen neun bringe ich Lindsey vorbei. Diesmal könnte es wirklich klappen, Peter.«
»Ein neuer Freund?«
»Seit einem Jahr habe ich mich immer wieder mit ihm getroffen, zwischendurch war auch mal Funkstille. Mittlerweile haben wir einige Stolpersteine aus dem Weg geräumt, und er will mich offenbar wirklich… Kann sein, dass er heute Abend sogar eine kleine Samtschachtel dabei hat…«
»Gratuliere, alles Gute.«
»Wirst du auch wirklich hier sein?«
»Ich hab meine Tochter seit Monaten nicht gesehen, Helen. Ich würde mich riesig freuen, wenn sie hier übernachtet.«
»Ich frag ja nur, weil ich es manchmal überhaupt nicht einschätzen kann.«
»Ich werde hier sein.«
»Und nicht etwa in Salammbo, um irgendwelche Aufträge für Michelle und Joseph zu erledigen?«
Helen war überzeugt davon, dass Peter etwas mit Michelle hatte und seinen vergreisten Chef betrog. Als sie Michelle einmal begegnet war, es war drei Jahre her, hatte sie sofort Verdacht geschöpft. Allerdings war Helen immer schon jeder Frau in Peters Umfeld mit Argwohn begegnet.
Und das, obwohl sie diejenige gewesen war, die ihn betrogen und in der dunkelsten Stunde ihres gemeinsamen Lebens verlassen hatte. Natürlich nicht ohne entsprechende Schutzbehauptungen. Trauer und Zorn hatten ihren Zoll verlangt.
»Heute Abend nicht. Ich hab hier zu arbeiten. Soll ich Lindsey was zu essen kochen?«
»Nein, das mach ich noch vorher.«
»Ich werde hier sein«, wiederholte Peter und biss die Zähne zusammen.
»Bisschen alt für dich, findest du nicht?« Helen deutete mit der Nase zur Tür. »Allerdings recht hübsch. Wie heißt sie? Ist sie ein Model?«
»Nein und ein doppeltes Ja. Sie heißt Carla Wyss. Findet zurzeit aber keine Arbeit, jedenfalls keine, die ihr zusagt.«
»Und ich wette, das gilt auch für ihre Männer«, sagte Helen. »Aber zur Not reichst auch du.«
Peter war darauf angewiesen, mit Helen auf gutem Fuß zu stehen. Selten zeigte sie offene Wut, aber sie brachte es fertig, ihm Dinge vorzuenthalten, die er eigentlich hätte erfahren müssen, manchmal über Monate hinweg. Er hatte schon vor langer Zeit eingesehen, dass Helen, was seine Person betraf, gern an ihren negativen Überzeugungen festhielt. Wann immer sich ihre Vorurteile bestätigten, und sei es bei noch so unwesentlichen Dingen, verschaffte ihr das innere Befriedigung.
Er bedachte sie bewusst mit dem blöden Lächeln eines kleinen Jungen. »So bin ich nun mal.«
Helen verblüffte ihn damit, dass sie zu Boden blickte und einräumte: »Dabei hilfst du mir ja wirklich, jetzt,
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