Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
mit steifen Gliedern auf die Knie hoch, blickte zum Haus hinüber wie ein armer Sünder, der vorhat, auf den Knien zum Allerheiligsten zu rutschen. Nach und nach kehrten die Erinnerungen zurück. Wieder und wieder sprach er den Namen seiner Tochter vor sich hin. Sah an sich herunter. Hemd und Hosen waren mit einer dünnen Staubschicht überzogen, und es war kein Dreck von der Auffahrt. Ein Weiß, das ins Graue spielte. Auch an seinen Fingern: Hausstaub, als wäre er unter ein Bett gekrochen. Er stand auf und schnüffelte an seinen Fingern. Unverkennbar hing der Duft an ihm, den er seit Daniellas frühester Kindheit mit ihr verbunden hatte, ein lieblicher, urtümlicher Geruch. »Gott helfe mir.« Er lehnte sich gegen die Garagenwand. Allmählich beruhigte sich sein Puls, auch das Atmen fiel ihm jetzt leichter, die Lebenskraft kehrte zurück. Er fühlte sich auf gefährliche Weise wohl, es war das Gefühl von Erleichterung und Wohlbefinden, das sich einstellt, wenn das Herz einen Moment lang ausgesetzt hat. Aber das reichte ihm nicht. Er wollte zurück ins Haus und nachsehen, ob Daniella immer noch da war. Diesmal würde er nicht wieder erwachen, falls sie einander umarmten, das war ihm klar. Und damit war er ganz und gar einverstanden.
    Schon wieder das Telefon.
    Immer noch benommen, ging Peter auf das Haus zu, stolperte über den niedrigen Randstein der Auffahrt und überquerte die Veranda, wobei er sich den Zeh anstieß. Als er ins Schlingern geriet und die Soleri-Glocke streifte, löste sich der Hausschlüssel von der Schnur und fiel mit dumpfem Scheppern auf die Fliesen. Er ließ das Telefon klingeln und starrte auf den Boden: Auch der Schlüssel war mit einer Staubschicht überzogen.
    Er beugte sich hinunter, um ihn aufzuheben, roch daran und verstaute ihn in seiner Hosentasche.

 
Kapitel 30
     
    Beim zehnten Läuten nahm er ab.
    »Ich fühl mich schrecklich«, platzte Helen heraus, ohne ihn überhaupt zu Wort kommen zu lassen. »Du kannst nichts dafür. Ich nehm’s dir nicht übel, wenn du jetzt sauer bist… Peter!«, hakte sie nach, als er darauf nichts erwiderte. »Verdammt noch mal, bist du dran?«
    »Ich bin nicht sauer.«
    »Warum gehst du dann nicht ans Telefon? Ich weiß, dass du sauer bist.«
    »Ich fühl mich nicht besonders.« Das Glas des Küchenschranks reflektierte sein Ebenbild. Ehrlich gesagt hatte er den Eindruck, dass es leicht flimmerte.
    »Lindsey und ich wollen’s wieder gutmachen«, verkündete Helen.
    »Ich würde euch beide liebend gern sehen«, erwiderte Peter. Er hatte Fragen, so viele Fragen an so viele Menschen.
    »Ich finde wirklich, wir sollten zusammen ein Picknick machen.«
    So vorsichtig, als streckte er die Hand nach einem Rettungsring aus, tastete er sich vor: »Kann Lindsey hier übernachten?«
    »Klar doch«, sagte Helen ein wenig scharf. Offenbar war sie immer noch wütend, hatte ihm gegenüber zwar ein schlechtes Gewissen, fühlte sich aber dennoch im Recht. Das Picknick als Versöhnungsangebot würde ihre Laune wohl ein bisschen heben. Nun ja, er würde auf alles eingehen, das sie ihm anbot, alles akzeptieren, das ihn von diesem gefährlichen Ort völliger Leere weglockte, der ihn so viele Stunden umfangen hatte.
    »Warum rufst du überhaupt so früh am Tag an?«, fragte er.
    »Wie bitte? Ist doch schon zehn durch, alte Schlafmütze.«
    Er sah nach draußen: strahlender Sonnenschein. »Der Wecker ist wohl stehen geblieben.«
    »Was, dein elektrischer Wecker?«
    »Ich meine, der Strom ist ausgefallen.«
    »Alles in Ordnung bei dir?«
    »Ich glaub schon.«
    Übers Telefon hörte er, wie ein Föhn summte. »Entschuldigung, nur eine Sekunde.« Helens Stimme verschwand vom Apparat. »Lindsey«, brüllte sie laut, »komm und sag deinem Vater hallo.«
    Kurze Stille, ein Scheppern, dann war Lindsey am Apparat. »Hi, Dad, wir müssen miteinander reden«, sagte sie ohne jede Einleitung.
    »Klar.«
    »Mom holt gerade die Wäsche heraus und ist im anderen Zimmer«, fuhr Lindsey mit gedämpfter Stimme fort. »Wir müssen miteinander reden, auch wenn ich dir jetzt nicht sagen kann, worum es geht.«
    »Ich weiß. Du fehlst mir, Lindsey.«
    »Irgendetwas geht hier vor, eine Veränderung«, flüsterte sie. »Hier ist Mom«, sagte sie gleich darauf mit normaler Stimme.

 
Kapitel 31
     
    Hungrig wie ein Wolf, machte sich Peter ein spätes Frühstück aus Haferflocken. Während er aß, spürte er, wie die Nährstoffe in die Blutbahn drängten. Er empfand dabei Wärme und sinnlichen

Weitere Kostenlose Bücher