Stimmen
Geschichten ist er derzeit nicht gewachsen.«
Joseph hat ihr nichts davon erzählt, dass er das Arbeitsverhältnis mit mir beendet hat.
»Kennen Sie den Tunnel zwischen den Häusern? Mit den Schienen und den kleinen Waggons?«
»Ich bin noch nie da unten gewesen.«
»Ich denke, wir werden ihn wieder instandsetzen – alles säubern und die Bahn wieder zum Laufen bringen.« Michelle bedachte ihn erneut mit einem nichts sagenden Blick. Zum ersten Mal spürte Peter, dass sie log, und er hatte nicht den leisesten Schimmer, warum.
»Kommen Sie mit in die Küche«, schlug Michelle vor. »Da ist es noch am gemütlichsten.«
»Besser nicht.« Peters Neugier hatte sich erschöpft. »Ich muss meinen Auftrag erledigen.«
»Reisende soll man nicht aufhalten«, sagte Michelle durchaus locker, kam zurück und stellte sich dicht neben ihn. »Haben Sie Ihr Trans dabei?«
Er hatte es nicht mitgenommen. »Ich glaube, die haben irgendwelche Probleme mit dem Netz«, sagte er. In Wirklichkeit hatte er es schlicht vergessen, als er von zu Hause aufgebrochen war.
»Na ja, vielleicht liegt es daran«, überlegte Michelle. »Ich hab’s Joseph nicht gesagt, aber die Apparate funktionieren in keinem der Häuser. Wir wollen doch nicht, dass er denkt, wir hätten sein Geld auf einen lahmen Gaul gesetzt. – Alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Mir ist nur kalt. Ich fahr jetzt wohl besser.«
Michelle schlang die Arme um sich. »Ist tatsächlich kühl hier drin. Bei Sonnenlicht kommt das Haus wirklich besser zur Geltung.«
Draußen verwandelte sie sich wieder in Josephs Michelle, verhielt sich kameradschaftlich und offen. Sie strich ihm über den Arm. »Lassen Sie sich von dieser Frau bloß nicht unterkriegen«, mahnte sie und blieb an der Fahrertür stehen, während er sich angurtete. »Sandaji hat Joseph in dieses willenlose Häufchen Elend verwandelt, da bin ich mir sicher. Auf diese Weise versucht sie, noch mehr Geld aus ihm herauszuholen, das könnte ich wetten. Ich mag sie einfach nicht.«
Peter versicherte ihr, er werde sein Bestes tun, um Joseph vor habgierigen Gurus zu schützen. Er bemühte sich um ein Lächeln, aber sein Gesicht wollte einfach nicht mitmachen, deshalb verzog er es nur zu einer leicht ironischen Grimasse und zwinkerte ihr zu. Gleich darauf setzte er zurück und ließ Michelle auf der langen Einfahrt stehen, deren Beton von Rissen durchzogen war… vor dem riesigen alten Haus mit dem hohen Giebel, im Stil der Alamo-Mission errichtet. Im zweiten Stock fielen ihm mehrere Reihen schmaler, zurückgesetzter Fenster auf, die wie dunkle Höhlen wirkten.
Nicht wie Augen, sondern wie Lücken zwischen verfärbten Zähnen.
Kapitel 34
Es war Jean Baslan, die öffnete. Ohne ein Wort ließ sie Peter ins Haus und bedeutete ihm, im Wohnzimmer zu warten. Vorsichtig ließ er sich auf dem antiken Sessel im Morris-Design nieder und faltete die Hände. Er hörte, wie ihre flachen harten Absätze durch das Esszimmer und über den Gang klapperten.
Als er hinter sich ein leises Geräusch vernahm, drehte er den Kopf. An einer der Ecksäulen, die den Torbogen zum Wohnzimmer stützten, stand ein uralter Mann. Er trug eine blaue Strickjacke, die auf Höhe des Gürtels zugeknöpft war, locker sitzende, ausgebeulte Hosen und ein weißes Hemd. Das graue Haar über der hohen Stirn war zu einem Bürstenschnitt geschoren. Hinter runden Brillengläsern schimmerten trübe graue Augen. Die schmalen Schultern fielen nach vorn wie zusammengefaltete Flügel, während die langen Arme locker herunterbaumelten; die Ellbogen hatte er leicht angewinkelt und die Hände so verkrampft, als übte er sich in einem Golfschlag.
Mit leichtem, schüchternem Lächeln ging er vorsichtig um eine große Keramikvase mit Trockenblumen herum und schlängelte sich danach am Rand des Kaffeetisches entlang.
»Sandaji wird gleich bei uns sein«, sagte er mit leiser, tiefer Stimme. »Mein Name ist Edward Schelling.«
»Schön, Sie kennen zu lernen.« Peter stand auf und bot ihm die Hand.
Schelling schüttelte entschuldigend den Kopf: Bitte kein Händedruck. »Spröde Knochen. Verglichen mit Ihnen bin ich wie ein Stück Glas.« Er löste die verspannten Gelenke, um sich auf der Couch niederzulassen, wobei er auf alarmierende Weise zur Seite fiel, ehe er sich wieder aufrecht hinsetzte. All das tat er mit großer Würde.
»Ist schon viele Jahre her, dass Sandaji mit mir gesprochen hat«, sagte er. »Inzwischen ist es schon fast ein Privileg, dass sie uns eine
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