Stimmen
Sie ihr als Mann geben können. Selbst Mutter Teresa muss ihre schwachen Momente gehabt haben.«
»Das bezweifle ich doch sehr«, sagte Peter und runzelte die Stirn.
»Sie haben also Zeit, mir zuliebe hinzufahren?«
»Ich denke schon.«
»Heute Abend?«
»Geht in Ordnung.«
»Und was machen Sie, falls die beiden Sie in irgendein kosmisches Geheimnis einweihen und meine ursprüngliche Frage ausführlicher beantworten?«
»Dann erzähle ich Ihnen alles. Falls Sie die Tore nicht verriegeln.«
»Sie werden die Tore immer offen finden, Peter, auch wenn es jetzt an der Zeit ist, dass Sie weiterziehen. Trotzdem, falls die beiden Sie wirklich ins Bild setzen…« Er nickte und presste den Kiefer zusammen. »Rufen Sie mich an, geben Sie mir Bescheid. Und falls mir irgendetwas zustößt… Haben Sie ein Auge auf Michelle.«
»Selbstverständlich, aber es ist doch gar kein Grund…«
»Es ist mir ernst. Versprechen Sie einem alten Mann, seinen Wunsch zu erfüllen und ein Auge auf Michelle zu haben.«
Peter nickte hilflos, während Joseph ihm mit einem Wink zu verstehen gab, dass er jetzt gehen sollte. Er wandte den leeren Blick zum Fenster. »Man muss die losen Enden miteinander verknüpfen. Und danke, Peter.«
»Gern geschehen.« Als Peter die Tür öffnete, gab ihm Joseph wie so oft noch ein paar dramatische Abschiedsworte mit auf den Weg: »Und glauben Sie bloß nicht, was in den Zeitungen steht.«
»Alles klar«, gab Peter zurück.
•
Während sie die lange Vordertreppe hinuntergingen, die von der Veranda in den Hof führte, warf Michelle einen Blick hinter sich, auf Peter. »Joseph und ich haben schon seit Jahren nicht mehr miteinander geschlafen«, sagte sie. »Das macht mir auch gar nichts aus. In meinem Leben hat der Sex sowieso immer eine viel zu große Rolle gespielt. Aber diese andere Sache, dieses Vor-sich-hin-Brüten, macht mir wirklich zu schaffen.«
»Danke für die Mitteilung.«
»Wie bitte? Haben Sie etwa Angst vor dem Schicksal, das auf alle Männer zukommt, wenn sie alt werden?«
Peter rümpfte die Nase.
»Ich nehme an, Sie brechen bald auf, um diese Sandaji aufzusuchen. Können Sie mich zu Jesus weinte rüberfahren?«
»Klar. Wir können aber auch laufen.«
Sie sah auf. »Wird gleich regnen. Diese Frau ist irgendwie unheimlich, finden Sie nicht?«
»Kann ich nicht recht beurteilen«, wehrte Peter ab, denn er hatte einen Unterton herausgehört, den er bislang von Michelle nicht kannte: Besitzgier. Michelle machte Ansprüche auf ihn geltend. Ist denn derzeit jeder ein bisschen neben der Spur? Phil hat den Startschuss gegeben. Dann hat es Sandaji gepackt und danach mich selbst. Jetzt Joseph und Michelle. Als wären wir alle im Wunderland.
»Ist ja auch egal. Fahren Sie rüber und von dort aus weiter, ich möchte nämlich Ihre Meinung zu dem Haus hören. Ich komm schon zu Fuß zurück.«
Peter fragte sich, wie viel Zeit Michelle in dem anderen Haus verbrachte. Es war das erste Mal, dass sie ihn einlud, sich ihr Werk anzusehen – ihn in das einweihte, womit sie ihre Zeit verbrachte, wenn Joseph mieser Stimmung war…
Trotz seiner eigenen Vorlieben bei Frauen – er stand zu seiner Ansicht, dass fünfundzwanzig bis dreißig das perfekte Alter war – hatte er nie viel Vertrauen in Mai-Dezember-Beziehungen gesetzt – Beziehungen mit großem Altersunterschied.
Er hielt Michelle die Tür des Porsches auf.
»Ich habe diesen Wagen immer geliebt«, sagte sie, während sie geschmeidig wie ein Otter in den niedrigen Beifahrersitz glitt und die Beine nachzog. »Unseren Arnage kann ich nicht ausstehen, der ist wie ein Schiff.« Sie zog eine Schnute. »Es ist mir peinlich, den Arnage zu fahren.«
»Dann verkaufen Sie ihn doch. Sie könnten dafür zehn oder zwanzig Porsches bekommen, und ich könnte die Ersatzteile brauchen.«
Michelle lächelte. Eine plötzliche Brise ließ ihr Haar flattern. Von der Küste her zog eine Wolkenbank in verschiedenen Farbschattierungen landeinwärts. Es tröpfelte bereits, als sie um die sanften Hügel bogen und bei der riesigen Bronzestatue von El Cid die Haarnadelkurve nahmen. Die Skulptur wirkte wie der Punkt unter dem Ausrufungszeichen, das die lange Hecke von Oleanderbüschen bildete. Über die steil abfallende Zufahrtsstraße näherten sie sich jetzt dem Herrenhaus, das dem Stil einer alten Missionsstation nachempfunden war.
»Wussten Sie, dass man mit dem Gift dieser Oleanderhecke eine ganze Kleinstadt ins Jenseits befördern könnte?«, fragte
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