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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Michelle. »Notieren Sie sich das für Ihren nächsten Krimi.«
    »Ich hab schon seit Jahren keinen Krimi mehr geschrieben«, sagte Peter. Das war Phils Stärke gewesen. Verwickelte, komplizierte Kriminalromane, deren Auflösungen dem Durchschnittsleser oft so vorkamen, als wären etliche Fäden nicht miteinander verknüpft worden. Sie hatten sich nicht gut verkauft.
    »Ich könnte ja helfen«, bot Michelle an. Während sie vor der Fünferreihe der Garagentüren hielten, bedachte sie ihn mit einem Blick, der ebenso nachdenklich wie nichts sagend war. Sie warf ihr Haar auf eine Weise zurück, die Peter aus Erfahrung deuten konnte: Sie spielte mit dem Gedanken, ihn anzumachen. Ihr Blick verriet, wie er annahm, nur deshalb nichts, weil sie die Karten nicht zu früh auf den Tisch legen wollte, vielleicht auch nicht sicher war, ob sie den Vorstoß wirklich machen sollte. Möglicherweise hatte sie auch kein gutes Gefühl dabei. Jedenfalls trieb sie irgendetwas aus der Reserve. »Sie sollten endlich tun, was Sie tun müssen«, erklärte sie. »Jetzt kenn ich Sie schon seit Jahren, Peter, wir sind alte Freunde. Und das mein ich in diesem Fall wörtlich: alte Freunde. Die Zeit wird knapp.«
    Er musste sich wohl wirklich im Wunderland befinden. Zum ersten Mal fühlte er sich in Michelles Gegenwart äußerst unwohl. Schon vor langer Zeit hatte er gelernt, offene oder verdeckte Vorstöße von Frauen in jeder Lebenssituation so abzuwehren, dass sie es ihm nicht allzu übel nahmen. Trotzdem nervte ihn schon die Tatsache an sich, dass er jetzt im Geiste sein Repertoire höflicher Zurückweisungen durchgehen musste. Er hatte immer angenommen, Michelle sei zu klug und habe zu viel Klasse, eine solche Karte auszuspielen.
    Joseph hatte einen Riecher für so was, er würde es ihm wie Michelle anmerken, selbst wenn es bei einem harmlosen Flirt bliebe. Seine so genannten Produzenteninstinkte würden es ihm sofort verraten.
    Dennoch war Peter seit eh und je gefährlich neugierig, wenn es um Frauen ging. Hinter Michelle stieg er die zwei Treppenabsätze bis zu der riesigen schmiedeeisernen Tür hoch, die nicht verschlossen war. Mit ihrer feinghedrigen Hand und den langen Fingern drückte Michelle sie schwungvoll auf.
    »Willkommen in der Höhle des Ungeheuers«, sagte sie, während sie ins Haus traten. Als sie über den schwarzen Schieferboden gingen, wurden ihre Schritte vom Widerhall der Eingangshalle so verzerrt, dass sie messerscharf klangen. »Ich weiß einfach nicht, was ich mit diesem Haus anstellen soll. Je mehr ich dafür investiere und je mehr Mühe ich mir damit gebe, desto hässlicher wird’s.«
    Durch die hohen Fenster über der Eingangstür drang so viel Licht, dass sie ihren Weg finden konnten, aber die kreisrunde Empfangshalle wirkte dennoch nicht einladend, sondern durch und durch düster. Auf jeder Seite flankierten schwere geschwungene Treppenfluchten den Raum. Die eisernen Geländer entlang der Treppen und der Brüstung waren zwar Wunderwerke komplizierter Konstruktion, aber wirkten erschlagend und taten dem Auge weh.
    Michelle schwenkte den Arm zur Brüstung: »Sehen Sie, was ich meine? Ich könnte dort oben Jupiterlampen anbringen lassen, und das Haus würde mich immer noch niederdrücken. Aber Sie hätten sehen sollen, wie’s hier früher war. Das Feuer hat ein solches Chaos angerichtet. Ich habe Wände eingerissen, Platz geschaffen, indem ich Räume zusammengelegt habe, neu gestrichen, die Fußböden repariert… Wie die meisten alten Damen kann man diese Lady zwar liften und straffen, aber die kranken Knochen nicht unsichtbar machen. Trotzdem war ich stets der Meinung, dass irgendwas in ihr steckt, meinen Sie nicht auch?«
    Peter versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie unwohl er sich hier fühlte.
    Michelle schlenderte zum Mittelpunkt der Empfangshalle hinüber. Ihre Stimme schien sich auszubreiten und aus allen Richtungen zu kommen, als sie sagte: »Joseph hat mir mal erzählt, hier sei irgendwas Schreckliches passiert. Aber er will mir nicht verraten, was.«
    »Vielleicht ein ganz übler Mord.«
    »Na ja, wohl eher eine Orgie, die ausgeartet ist. Verführung von Jungfrauen, Drogen, Kokain. So wie bei Fatty Arbuckle.« Sie lächelte. »Aber es steht weder in den Geschichtsbüchern noch in den Zeitungen, wie kann man’s also wissen? Vielleicht können Sie’s aus Joseph herauslocken.« Gleich darauf zog sie einen Schmollmund. »Wenn ich genauer darüber nachdenke, lassen Sie’s lieber. Traurigen

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