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Stimmen

Stimmen

Titel: Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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genug waren, das Stanniolpapier zu entfernen, tat es Sandaji an seiner Stelle. Noch ehe sie die letzte von drei Schichten heruntergezogen hatte, konnte Peter deutlich erkennen, dass es sich um ein Trans handelte – einen knallroten Apparat.
    »Es ist irgendeine Art von Telefon, nicht wahr?«, wollte Sandaji von Peter wissen.
    »Ja.« Er ließ die Zunge in der kleinen Zahnlücke spielen. »Joseph hat Geld in die Firma investiert.«
    »Und Sie hatten so ein Ding dabei, als Sie Sandaji zum ersten Mal besucht haben, stimmt’s?«, fragte Schelling.
    »Ich denke schon.« Peter fiel ein, dass er das Trans in der Jackentasche gespürt hatte, neben der Rolle mit Hundert-Dollar-Scheinen. »Ja, ich hab’s dabeigehabt.«
    »Das könnte eine Menge erklären«, sagte Schelling und blinzelte langsam. »Sie bestätigen meine schlimmsten Vermutungen.«
    »Sie verbergen etwas, Mr. Russell«, mischte sich Sandaji ein. »Sind Sie wirklich sicher, dass Sie nicht ebenfalls Geistererscheinungen hatten?«
    Schelling wartete die Antwort nicht ab. Während er das Trans so ans Ohr hielt, als lauschte er einer Meeresmuschel, richtete er den Blick noch fester auf Peter. »Diese Apparate haben eine bemerkenswerte Wirkung«, sagte er. »Sie erzeugen eine bestimmte unnatürliche Stille. Und danach irgendetwas gänzlich Unerwartetes… Als höbe sich ein Vorhang vor einer bis dahin verborgenen Bühne. Ich jedenfalls habe große Angst vor dem, was uns allen dadurch widerfahren kann.«
    Peters Mund war so trocken, dass er das Gefühl hatte, seine Zunge wäre am oberen Gaumen festgeklebt. Jeder verbirgt irgendetwas. Und manche Dinge bleiben jetzt keinem mehr verborgen.
    Jean Baslan, die inzwischen auf Ellbogenhöhe neben Peter stand, bot ihm zuvorkommend eine Flasche Evian an. Er öffnete den verschweißten Verschluss, nahm einen Schluck und bedankte sich mit einem Nicken. Was Jean betraf, beäugte sie ihn immer noch so, als wäre er ein seltsames, bedrohliches Tier, das man im Haus losgelassen hatte.

 
Kapitel 35
     
    Sandaji fasste Schelling am Ellbogen und geleitete ihn durch Küche und Hintertür nach draußen. Peter folgte ihnen. Dort, wo sich zwei Wege im rechten Winkel kreuzten, blieben sie vor einer orientalischen Steinlaterne stehen. »Nur wenige, ganz besondere Menschen«, sagt Sandaji, »haben die Fähigkeit, in die Tiefe aufgewühlter Gewässer zu sehen. Manchmal liegt es an ihren Persönlichkeiten, manchmal auch daran, dass sie in außergewöhnliche Ereignisse verwickelt gewesen sind.«
    Peter erinnerte sich an die Empfindung, die er verspürt hatte, ehe er die Tür zu Phils Schlafzimmer geöffnet hatte. Ich will es gar nicht wissen.
    Jean Baslan schloss die Verandatür, streifte einen blauen Pullover über und rannte die Stufen hinunter, um sich zu ihnen zu gesellen. Im Augenblick regnete es nicht mehr, aber der Himmel war immer noch bedrohlich von Wolken überzogen. Den großen Hintergarten zierten sorgfältig arrangierte Gruppen von Schwertgras und Papyrusstauden, die in geschwungenen Steinkübeln wuchsen. Im hintersten Winkel zeichnete sich über dem Gras ein japanisches Teehaus ab, das Aussicht auf den Garten bot. Die Türen aus Reispapier standen offen; drinnen und entlang der Treppe leuchteten Laternen. Ordnung, Schönheit, Ruhe und Frieden – und nichts davon konnte Peter derzeit nachempfinden und genießen.
    »Es sind besondere Menschen«, fuhr Sandaji fort, während sie Schelling die Stufen zum Teehaus hinaufhalf. »Manche sind wie Heilige. Andere… nicht. Sie haben außerordentliche Fähigkeiten, aber manchen ist gar nicht bewusst, was sie damit vermögen. Edward kennt solche Menschen. Und zufällig ist er einer davon.«
    Auf den Tatamimatten, mit denen der Fußboden ausgelegt war, stand vorsorglich ein Liegestuhl, auf dem Schelling mit steifen Gliedern Platz nahm. »Sie haben unsere Fragen noch nicht beantwortet«, sagte er zwischen zwei pfeifenden Atemzügen. Während Sandaji sich auf den Kissen am Boden niederließ, blieb Peter stehen, die Arme wie zur Abwehr verschränkt. Einerseits empfand er die Situation als peinlich, andererseits machte sie ihm Angst.
    »Ich wüsste gar nicht, was ich darauf sagen sollte.«
    »Wir sind keine Feinde, Mr. Russell«, erklärte Sandaji.
    »Ich weiß einfach nicht, was wahr ist und was nicht.«
    Schelling zog die Augenbrauen hoch und studierte Peters Gesicht.
    Sandaji wirkte bekümmert. »Warum trauen Sie uns nicht, Mr. Russell?«
    »Weil Sie Geld von einsamen Menschen nehmen, von

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