Stimmen
Audienz gewährt.«
»Kostet manche Menschen eine schöne Stange Geld«, bemerkte Peter.
Schelling zog zustimmend die buschigen weißen Augenbrauen hoch. »Für eine Frau, die sich so viel mit spirituellen Dingen befasst, ist ihr sehr an materieller Sicherheit gelegen. Trotzdem sollten wir nicht gehässig sein.« Er schwieg und lehnte den Kopf zurück, um die Holzverzierungen an der Zimmerdecke zu betrachten. »Wissen Sie noch, dass sie Ihnen gesagt hat, sie sei kein Medium?«
»Ja, ich erinnere mich.« Peter musste in Erfahrung bringen, was hier gespielt wurde. Vertrat er immer noch Joseph, oder war das Verhältnis zu seinem Auftraggeber inzwischen belanglos geworden? »Sind Sie ein alter Freund von Sandaji?«
»Ich bin keiner ihrer Jünger, falls Sie darauf hinauswollen«, antwortete Schelling, hob kurz die Schultern und ließ sie wieder sinken. Es sah so aus, als wären sie durch Sprungfedern miteinander verbunden. Oder als hätten die Jahre sie niedergedrückt. »Wir waren mal miteinander verheiratet, in einem anderen Leben. Entschuldigung, ich habe mich nicht klar ausgedrückt: in diesem Leben, aber ehe sie zu Sandaji wurde.«
Peter sperrte wortlos den Mund auf: Ach so!
»Sie bleibt nicht mehr lange hier. Das Haus und sein Innenleben sind ihr über den Kopf gewachsen. Trotzdem ist der Umzug überaus lästig für sie, denn um diese Zeit des Jahres ist immer viel los, sie hat viele Besucher.«
»Tut mir Leid, das zu hören«, sagte Peter.
»Darf ich Ihnen eine seltsame Frage stellen?«
Peter zog die Mundwinkel hoch.
»Sind Sie übersinnlich begabt?«
Peter fuhr zurück. »Nein.«
»Haben Sie in jüngster Zeit irgendwelche Dinge erahnt, merkwürdige Gefühle… Empfindungen gehabt? Oder so etwas bei anderen Menschen ausgelöst?«
»Tut mir Leid, Mr…« Peter hatte sich den Namen nicht gemerkt.
»Schelling.« Der alte Mann hatte sehr wache Augen. Irgendwie erinnerte er Peter an einen in die Jahre gekommenen Dashiell Hammett, vielleicht auch Faulkner.
»Mir ist nicht recht klar, warum Sie mich das fragen.«
Beide Männer wandten die Köpfe, als Sandaji bedächtig und würdevoll eintrat, so als brauchte sie erst noch Zeit und Distanz, um Peter zum mustern. Schellings Halswirbel knackte. Resoluter als vorhin nahm er die Schultern zurück und stand auf. Peter folgte seinem Beispiel.
Sandaji trug ein grünes Samtkleid mit einem Gürtel aus dunkler Bronze, als wäre sie zur Kostümprobe für die Rolle der Ophelia angetreten – in einer Fassung des Hamlet speziell für Altenheime. Und sie sah dünner aus. Und älter. Das wunderbare Strahlen, das beim ersten Treffen von ihr ausgegangen war, hatte sich verflüchtigt. Zwar hatte ihre Präsenz viel von der ursprünglichen Wirkungskraft verloren, dennoch brauchte Peter mehrere Sekunden, bis er merkte, dass Jean Baslan mit verkrampften Händen neben Sandaji stand.
Nachdem Sandaji Peter gründlich gemustert hatte, kam sie ganz ins Wohnzimmer hinein und bot ihm die Hand. »Hat Edward Sie angemessen mit Fragen gelöchert?«, fragte sie, wobei ihre Körperhaltung den leichten Plauderton Lügen strafte. Als Peter ihre Hand ergriff, spürte er, dass sie ihm so etwas wie eine Bestätigung vermittelte, ihn beruhigen wollte. Aber ihm war nicht wohl dabei, so dass er den Vorstoß instinktiv zurückwies. Er hatte schon früher mit charismatichen Frauen zu tun gehabt, hatte auch schon zugesehen, wie sie sich auszogen und in Stellungen posierten, die jede Würde vermissen ließen.
Mit trüben, traurigen Augen beobachtete Schelling, wie ihre Hände einander berührten.
Sandaji ging am Tisch vorbei zur Couch und nahm darauf Platz – als ihr Ex-Mann zur Seite trat, wobei seine knochigen Knie knackten.
»Wir kommen wunderbar miteinander klar«, erklärte Schelling. Beide starrten mit zusammengekniffenen Lippen, die Hände im Schoß gefaltet, auf Peter. Sie wirkten wie Kinder, die man ins Büro des Schulrektors zitiert hat – zwei schüchterne, kluge Kinder, die bestens zueinander passten. Figurinen in einem bizarren Antiquitätenladen.
»Joseph Benoliel hat mich gebeten, ihn zu Hause aufzusuchen«, bemerkte Sandaji. »Allerdings habe ich mich nach meinem beunruhigenden Erlebnis mit Ihnen, Mr. Russell, gefragt, ob es wirklich weise wäre, seiner Bitte zu entsprechen.«
»Mr. Russell sagt, er sei nicht übersinnlich begabt, meine Liebe«, erklärte Schelling. »Und das heißt wohl, dass er für die unerklärlichen Dinge, die hier fortwährend passieren, nicht
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