Stirb ewig
»Abgemacht.«
Sie trommelte mit dem manikürten Finger auf den Tisch. »Na los, wie erklärst du dir die Geschichte?«
Grace bestellte Cleo einen dritten Tequila. »Ich habe mehrere Theorien über Geister. Ich meine, ich persönlich glaube, dass es drei Formen von Geistern gibt – «
Sein Handy piepste.
Er entschuldigte sich und meldete sich mit einem knappen: »Grace hier.«
DC Boutwood aus der Soko-Zentrale. »Verzeihen Sie, wenn ich störe, Sir, aber es gibt neue Entwicklungen. Sind Sie schon auf dem Rückweg?«
Er sah Cleo Morey bedauernd an und antwortete zögernd: »In fünfzehn Minuten bin ich da.«
74
IN DER GESCHÄFTIGEN ATMOSPHÄRE der Soko-Zentrale spielte die Uhrzeit kaum eine Rolle. Als Grace wenig später hereinkam, waren fast alle Tische besetzt. Nick kämpfte sich im Arbeitsbereich der Soko Salsa durch chinesisches Fastfood, Bella aß einen Apfel, und Emma-Jane starrte gebannt auf den Computer, wobei sie ein Trinkpäckchen leerte. Sie bemerkten ihn gar nicht.
»Hi, was gibts?«, fragte Grace.
Drei Köpfe schossen hoch. Bella Moy sagte kauend: »Glenn musste schnell nach Hause, ein Problem mit der Babysitterin. Ist gleich zurück.«
»Na toll! Soll das etwa die neueste Entwicklung sein?«
DC Boutwood schaute ihn nervös an. Als Jüngste im Team wusste sie noch nicht, wann er scherzte und wann er wirklich wütend war. Sie spürte, dass es sich um einen Grenzfall handelte und Grace sehr erschöpft war. »Sir, wir haben auf dem Gelände von Double-M Properties einen Sarg in einem getarnten Grab gefunden – nach Ihrer Wegbeschreibung.«
»Das ist ja fantastisch!«
Die Blicke seiner Kollegen verrieten ihm, dass etwas nicht stimmte. »Und?«
»Leider ist die Nachricht nicht ganz so gut. Im Sarg war nämlich niemand.«
»Nur ein leerer Sarg in einem Grab?«
»Wie es aussieht, ja.« Ihre Nervosität verstärkte sich.
»Hat denn irgendwann jemand dringelegen?«
»Anscheinend gibt es – von innen, meine ich – bestimmte Spuren.«
»Das Sir können Sie vergessen. Ich heiße Roy.«
»Ja, Sir, Verzeihung, Roy.«
Er lächelte sie flüchtig an. »Welche Spuren?«
»Anzeichen dafür, dass jemand versucht hat, sich aus dem Sarg zu befreien.«
»Und ist es Michael Harrison oder wer immer darin war, auch gelungen?«
»Der Deckel lag lose auf, aber das Grab war mit Wellblech und Grünzeug bedeckt, als hätte jemand es tarnen wollen.«
Grace stützte sich müde auf den Tisch. »Mit wem haben wir es hier zu tun? Houdini?«
»Das ergibt doch keinen Sinn«, warf Nicholas ein.
»Es ergibt durchaus einen Sinn, Michael Harrison ist doch wegen seiner Streiche berüchtigt«, entgegnete Grace gereizt. Allmählich verging ihm die Lust an allem, er hätte lieber wieder mit der reizenden, warmherzigen Cleo Morey im Pub gesessen.
Vermutlich war sein Blutzuckerspiegel zu niedrig. Er hatte seit dem Sandwich am Mittag nichts mehr gegessen und stand kurz vor dem Verhungern. Also holte er sich einen doppelten Espresso, eine Flasche Wasser und ein Mars aus den Automaten im Flur. Als er kauend zurückkehrte, hielt Emma-Jane ihm den Telefonhörer hin.
»Ashley Harper. Sie besteht darauf, mit Ihnen zu sprechen, es sei sehr dringend.«
Grace schluckte und meldete sich. »Detective Superintendent Grace.«
»Ashley Harper.« Sie wirkte aufgelöst. »Ich habe soeben eine SMS von Michael erhalten. Er lebt!«
»Was schreibt er denn?«
»Lebe. Polizei rufen. Das lese ich jedenfalls heraus.«
»Sie lesen es heraus?«
»Die Schreibweise ist komisch, aber das ist bei SMS ja öfter der Fall.«
»Sonst steht da nichts?«
»Nein.«
»Kommt sie von seinem Handy?«
»Ja, es ist Michaels Nummer.«
Er hätte Nick oder Bella hinschicken können, beschloss aber, persönlich mit Ashley zu sprechen.
»Ich komme sofort.«
75
MARK BETRACHTETE im Rauchglasspiegel des Aufzugs sein düsteres Gesicht. Um ihn herum schien alles auseinander zu fallen.
Vor nicht einmal einer Woche hatte er in der Maschine aus Leeds gesessen, den Fahrbericht über den Ferrari 365 gelesen und überlegt, ob er ihn in Rot oder Silber bestellen und die aus der Formel 1 bekannte Paddelschaltung oder den üblichen Schalthebel wählen sollte.
Nun schwand die Hoffnung auf den Wagen dahin. Zusammen mit allen anderen Zukunftsträumen.
Was war nur mit Ashley los? Monatelang waren sie einander so nahe gewesen, näher als er es sich je erträumt hatte. Sie lachten über die gleichen Witze, hatten den gleichen Geschmack
Weitere Kostenlose Bücher