Stirb ewig
Mann, der bei ihnen war.« Er deutete auf das Foto von Michael Harrison.
Der Wirt schüttelte den Kopf. »War nicht hier.«
Branson schaute nach oben. »Haben Sie eine Überwachungskamera?«
»Soll das ein Witz sein? Meinen Sie, ich hätte Geld für technische Spielereien? Wissen Sie, was meine Überwachungskamera ist? Das hier.« Er zeigte auf seine Augen. »Genau das. Ist sogar umsonst. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss das Fass anschlagen.«
Branson und Grace gingen schweigend hinaus.
31
MICHAEL ZITTERTE. Etwas krabbelte durch seine Haare, arbeitete sich in Richtung Stirn vor. Es fühlte sich wie eine Spinne an.
Voller Panik ließ er die Gürtelschnalle los und fuhr sich wie wild durchs Haar. Seine Finger waren ganz wund vom Kratzen am Deckel. Dann lief es ihm übers Gesicht, huschte über Wange, Mund, Kinn.
»Hau ab, du Scheißvieh!« Er schlug sich mit beiden Händen ins Gesicht, fühlte etwas Kleines, Klebriges. Immerhin war es tot. Er wischte die Reste ab, spürte die dichten Bartstoppeln.
Mit Tieren hatte er nie Probleme gehabt, außer mit Spinnen. Als Kind hatte er in der Zeitung von einem Obsthändler gelesen, der von einer Tarantel gebissen worden war, die sich in einem Bündel Bananen versteckt hatte. Der Mann wäre beinahe gestorben.
Die Taschenlampe schien jetzt sehr schwach, tauchte den Sarg in einen dunklen Bernsteinton. Er musste den Kopf hoch halten, damit ihm das Wasser nicht in Augen und Mund stieg. Ein Insekt hatte ihn in den Knöchel gebissen, die Stelle juckte.
Er schüttelte die Lampe, worauf sie ganz ausging. Dann glomm noch einmal ein winziges Lichtfädchen auf.
Ihm war eiskalt. Nur das Kratzen am Deckel verhinderte, dass er ganz erstarrte. Noch immer kein Durchbruch. Er musste, musste es schaffen, bevor das Wasser – er wollte das Undenkbare verdrängen, doch es gelang ihm nicht. Das Wasser stieg weiter, bedeckte seine Beine und einen Teil der Brust. Das Walkie-Talkie hielt er schützend zwischen Brust und Sargdeckel.
Mit dem Wasser stieg auch die Verzweiflung. Daveys Worte kreisten in seinem Gehirn.
Ein Typ hing in der Windschutzscheibe, dem fehlte der halbe Kopf. Junge, da kam das Gehirn raus. Wusste sofort, dass der hinüber war. Nur ein Überlebender, aber der ist auch gestorben.
Der Wagentyp passte, Zeitpunkt und Ort ebenfalls. Pete, Luke, Josh, Robbo – waren sie wirklich alle tot? Und hatte ihn deswegen niemand herausgeholt? Aber Mark musste doch wissen, was sie vorhatten, immerhin war er sein Trauzeuge, Himmelherrgott noch mal! Er führte doch sicher einen Suchtrupp an, oder? Außer natürlich, ihm war auch etwas zugestoßen. Vielleicht war er im nächsten Pub zu ihnen gestoßen und hatte mit im Wagen gesessen?
Es war zehn nach vier am Freitagnachmittag. Michael versuchte sich auszumalen, was vorging. Was machte Ashley gerade? Seine Mutter? Taten alle noch so, als würde die Hochzeit wie geplant stattfinden?
Er hob den Kopf um kostbare Zentimeter an den Deckel und rief, wie er es regelmäßig tat: »Hilfe! Helft mir! Hilfe!«
Nur betäubendes Schweigen.
Ich muss hier raus.
Ein Zischen, ein Knistern, dann ertönte das vertraute Rauschen. Die körperlose Südstaatenstimme fragte: »Meinst du ehrlich, ich komm ins Fernsehen?«
»Davey?«
»Hey, Kumpel, wir sind gerade zurück – Mensch, was für ein Wrack! In dem Auto hättest du nicht sitzen wollen, das kannst du mir glauben. Haben zwei Stunden gebraucht, um den Fahrer rauszuschneiden, sah übel aus. Aber besser als die Frau in dem anderen Wagen, kapiert?«
»Ja, kapiert«, erwiderte Michael, damit er zufrieden war.
»Da bin ich mir nicht so sicher. Ich will sagen, sie war tot. Klaro?«
»Tot? Ja, alles klar.«
»Man sieht ihnen einfach an, ob sie‘s packen oder nicht. Aber auch nicht immer. Aber, Mensch, ich sag dir was!«
»Davey, weißt du noch, wie viele junge Männer in dem Autowrack waren, das du am Dienstag gesehen hast?«
Nach kurzem Schweigen sagte er: »Ich zähl immer die Krankenwagen. Bei schlimmen Unfällen haben sie einen für jeden. Einer fuhr weg, als wir kamen, einer war noch da.«
»Davey, hast du zufällig die Namen der Opfer gehört?«
Zu Michaels großer Überraschung rasselte Davey die Namen prompt herunter. »Josh Anderton, Luke Smithson, Peter Waring, Robert Houlihan.«
»Du hast ein gutes Gedächtnis, Davey«, ermutigte er ihn. »Sonst noch jemand? War auch ein Mark Warren in dem Wagen?«
Davey lachte. »Ich vergesse nie einen Namen. Wenn Mark
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