Stirb ewig
Neues?«
Grace war verblüfft über den Unterschied zwischen Fassade und Innenleben des Hauses, das von einem kühlen Minimalismus geprägt war. Weißer Teppich, weiße Möbel, graue Metalljalousien, an der Wand ein großer gerahmter Druck von Jack Vettriano, auf dem vier Typen in schicken Anzügen zu sehen waren. Auf einer HiFi-Anlage an der Wand tanzten bunte Lichtpunkte. Die schlichte, ziffernlose Wanduhr zeigte zwanzig nach sechs.
Sie bot ihnen etwas zu trinken an. Branson bekam ein Mineralwasser in geschmackvollem Glas; Grace, der neben ihm auf einem langen Sofa Platz genommen hatte, einen schwarzen Kaffee im eleganten weißen Keramikbecher.
»Man hat Ihren Verlobten am Dienstagabend in drei verschiedenen Pubs im Gebiet um Ashdown Forest gesehen«, erklärte Branson. »Die Zeugen haben auch bestätigt, dass er in Begleitung von vier Männern dort war – die Ihnen bekannt sein dürften. Aber uns liegen keine Informationen darüber vor, was sie planten, außer sich zu betrinken.«
»Michael ist kein großer Trinker«, sagte sie trostlos und umklammerte ihr Rotweinglas mit beiden Händen.
»Erzählen Sie mir von ihm«, bat Grace und sah sie aufmerksam an.
»Was denn?«
»Alles. Wie haben Sie ihn kennen gelernt?«
Ashley lächelte und wirkte sichtlich entspannter. »Ich hatte ein Vorstellungsgespräch bei ihm und seinem Partner.«
»Mark Warren?«
Ein kaum merkliches Zögern, das Grace nicht entging. »Ja.«
»Und wo haben Sie vorher gearbeitet?«
»Bei einer Immobilienfirma in Toronto. Ich war gerade erst nach England zurückgekehrt, als ich die Stelle bekam.«
»Zurückgekehrt?«
»Ich bin gebürtige Engländerin – hier sind meine Wurzeln.« Sie lächelte.
»Bei welcher Firma in Toronto?«
»Kennen Sie sich dort aus?«, fragte sie ein wenig überrascht.
»Ich habe vor etwa zehn Jahren eine Woche bei der Royal Canadian Mounted Police verbracht – im Kriminallabor.«
»Also, es war eine kleine Firma, sie gehörte zum Bay-Konzern.«
Grace nickte. »Demnach haben Michael Harrison und Mark Warren Sie gemeinsam eingestellt.«
»Hm, ja.«
»Und?«
»Der Job war toll – gut bezahlt – und ich wollte alles über das Immobiliengeschäft; in England lernen. Außerdem schienen sie wirklich nett zu sein. Ich – hm – ich«, sie errötete, »ich fand Michael sehr attraktiv, war aber überzeugt, dass er verheiratet war oder eine Freundin hatte.«
»Verzeihen Sie, wenn ich persönlich werde, aber wann wurden Sie und Michael ein Paar?«, erkundigte sich Grace.
Nach kurzer Pause entgegnete sie: »Sehr schnell – nach einem Monat, glaube ich. Aber wir mussten es geheim halten, weil Michael sich Sorgen machte, Mark könnte es herausfinden. Er dachte, es würde schwierig für Mark, wenn er – na ja – etwas mit mir hatte.«
Grace nickte. »Und wann hat Mark es herausgefunden?«
Sie wurde rot. »Eines Tages kam er ins Büro, als wir nicht mit ihm gerechnet hatten.«
Grace lächelte. Er fühlte mit ihr, sie besaß eine verletzliche Ausstrahlung, die wohl in allen Männern ein Schutzbedürfnis weckte. Auch er empfand bereits so, obwohl er sie erst ein paar Minuten kannte. »Und dann?«
»Eine Weile war es irgendwie unangenehm. Ich schlug Michael vor zu kündigen, aber er wollte nichts davon wissen.«
»Und Mark?«
Grace bemerkte ein winziges Zucken, ein kaum merkliches Anspannen der Gesichtsmuskeln. »Er kam damit klar.«
»Also hat es Ihre berufliche Beziehung nicht beeinträchtigt?«
»Nein.«
Grace behielt ihre Augen genau im Blick. »Wussten Sie etwas von einer Offshore-Firma auf den Cayman Islands?«
Sie blickte rasch zu Branson und wieder zu Grace. »Nein – ich – davon weiß ich nichts.«
»Hat Michael je mit Ihnen über Steueroasen für sich und Mr Warren gesprochen?«
Plötzlich wirkte sie unerwartet zornig. »Was soll das? Sind Sie von der Polizei oder vom Finanzamt?«
»Wenn wir Ihren Verlobten finden sollen, müssen Sie uns helfen, ihn näher kennen zu lernen. Sagen Sie uns bitte alles, auch das, was Ihnen unwichtig erscheint.«
»Ich will nur, dass sie ihn finden. Lebend. Bitte.«
»Hat Ihr Verlobter nicht mit Ihnen über den Junggesellenabschied gesprochen?«, fragte Grace und erinnerte sich, wie er selbst damals Sandy mit einer detaillierten Reiseroute versorgt und sie ihn in den frühen Morgenstunden gerettet hatte, nachdem man ihn nackt bis auf die Socken auf einem Briefkasten in einer Nebenstraße von Brighton ausgesetzt hatte.
Sie schüttelte den Kopf. »Sie wollten
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