Stirb ewig
nur bemühte Gespräche unterbrachen die Stille. Zwanzig Tische waren liebevoll für zweihundert Gäste gedeckt und mit Orchideen geschmückt. Zwei Gourmetköche mit weißer Jacke und hoher Mütze standen hinter den üppigen Büffettischen, dazu eine Armee von Kellnerinnen und Kellnern. Die mehrstöckige Hochzeitstorte thronte auf einem Ehrenplatz, wo sie beinahe aufdringlich an den eigentlichen Grund dieser Zusammenkunft erinnerte. Einige wenige machten sich über voll beladene Teller her und kippten Champagner und Wein hinunter.
Ashley hatte Grace eingeladen, doch er hatte zunächst mit Nicholas und Moy wegen einer Vergrößerung des Teams telefonieren müssen. Eine junge Ermittlerin namens Emma-Jane Boutwood war verfügbar, auf die Bella große Stücke hielt, und er schlug vor, sie umgehend ins Team aufzunehmen.
Beim Empfang behielt er Ashley und Mark Warren scharf im Auge. Sie wirkte tapfer trotz Tränen und verschmierter Wimperntusche und saß mit einem jungen Mann und einer Frau am Tisch, die Grace in der Kirche nicht gesehen hatte.
Anscheinend waren noch einige neue Gäste zum Empfang erschienen.
»Er wird kommen«, hörte Grace sie sagen, »es muss doch einen Grund geben. Es ist so bizarr – sollte die Hochzeit nicht der schönste Tag im Leben einer Frau sein?« Sie brach in Tränen aus.
An einem anderen Tisch entdeckte er Michaels Mutter, seine Schwester und Ashleys Onkel, den er nachdenklich betrachtete. Er wurde aufgeschreckt, als Mark Warren mit leerem Champagnerglas vor ihm auftauchte und ihn mit nuschelnder Stimme ansprach. »Detective Sergeant Grace?«
»Detective Superintendent Grace.«
»Tschuldigung – wusste nicht, dass man Sie befördert hat.«
»Das hat man auch nicht, Mr Warren.«
Mark wich zurück, baute sich dann wieder vor ihm auf und versuchte, geradeaus zu blicken, was ihm nicht ganz gelang. Ashley schien sich unbehaglich zu fühlen, als sie ihn mit Grace dort stehen sah.
»Können Sie die Lady nicht in Ruhe lassen? Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was sie durchmacht?«
»Deswegen bin ich ja hier«, entgegnete Grace gelassen.
»Sie sollten lieber Michael finden, statt hier rumzuschmarotzen.«
»Mark!«, rief Ashley warnend.
»Scheiß drauf.« Wieder funkelte er Grace an. »Was zum Teufel unternehmen Sie eigentlich?«
Sein Auftritt machte Grace wütend, doch er ließ sich nichts anmerken. »Mein Team tut alles, was in seiner Macht steht.«
»Scheint nicht gerade viel zu sein. Dürfen Sie eigentlich im Dienst trinken?«
»Das ist Mineralwasser.«
Mark schaute blinzelnd das Glas an.
Ashley stand auf und kam zu ihnen herüber. »Warum gehst du nicht weiter, Mark?«
Grace spürte die Schärfe in ihrer Stimme. Hier war etwas nicht in Ordnung, das spürte er.
Mark Warren stieß ihm den Finger in die Brust. »Wissen Sie, was Ihr Problem ist? Ihnen ist das alles scheißegal.«
»Warum glauben Sie das?«
Mark Warren grinste dümmlich und sagte ungehalten: »Ach, kommen Sie, reiche Leute sind nicht Ihr Ding, oder? Wir können krepieren, ist doch so. Sie sind damit beschäftigt, Blitzgeräte aufzubauen und Autofahrer dranzukriegen. Warum sollten Sie sich für einen reichen Arsch interessieren, der das Opfer eines misslungenen Streichs geworden ist? Da kassieren Sie doch lieber eine fette Prämie für die armen Autofahrer.«
Grace senkte bewusst die Stimme und flüsterte beinahe, wodurch, wie er wusste, Mark Warren ebenfalls leiser sprechen würde. »Das hier ist gar nicht mein Fall, Mr Warren. Ich habe dieses Wochenende keinen Dienst und auch keinerlei Verbindung zur Verkehrspolizei. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen.«
Mark beugte sich vor. »Tut mir Leid, hab’s nicht mitgekriegt. Was haben Sie gesagt?«
Noch immer leise sagte Grace: »Als ich auf der Polizeiakademie war, mussten wir zum Appell antreten und uns inspizieren lassen. Ich hatte meine Gürtelschnalle perfekt gewienert. Der Chef ließ mich den Gürtel abnehmen und hielt ihn hoch, sodass alle ihn von hinten sehen konnten. Die Rückseite hatte ich nämlich nicht poliert. Dafür habe ich mich geschämt und meine Lektion gelernt – nicht nur das, was man sieht, ist wichtig.«
Mark sah ihn fragend an. »Was soll das jetzt heißen?«
»Das herauszufinden überlasse ich Ihnen, Mr Warren – und lassen Sie nächstes Mal Ihren BMW richtig waschen.«
Mit diesen Worten ging er davon.
47
GRACE SASS IN GEDANKEN VERSUNKEN im Wagen und merkte erst nach einer Weile, dass ein Strafzettel hinter dem
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