Stirb ewig
vergleichen ließ; er umfing einen wie ein unsichtbarer Nebel, drang tief in Haut, Nase, Lunge und Magen, setzte sich in Haaren und Kleidern fest, sodass man ihn noch Stunden später mit sich herumtrug.
Als er die Tür des kleinen, spartanischen Erkennungsdienstbüros öffnete, entdeckte er die Ursache: Das Fotostudio war in Aktion. Auf dem Tisch lag unter einer grellen Lampe ein zerrissenes, blutgetränktes Hawaii-Hemd auf braunem Hintergrundpapier. Daneben Plastikbeutel mit einer Hose und Camel-Mokassins.
Grace sah sich um und entdeckte einen Mann im weißen Overall, der konzentriert in die Linse einer Hasselblad auf einem Stativ blickte. Im ersten Moment erkannte er ihn nicht. Dann begriff er, dass sich Joe Tindall seit ihrer letzten Begegnung vor einigen Monaten deutlich verändert hatte. Die Frisur à la verrückter Professor und die Schildpattbrille waren verschwunden. Er hatte sich den Kopf rasiert, ein schmales Bärtchen verlief von der Mitte der Unterlippe bis zum Kinn, und er trug eine flippige, viereckige Brille mit blauen Gläsern. Er sah jetzt eher wie ein Medienberater als wie ein Kriminalwissenschaftler aus.
»Neue Frau in deinem Leben?«, fragte Grace statt einer Begrüßung.
Tindall blickte überrascht auf. »Roy, wie schön, dich zu sehen! Ja, du hast Recht – sieht man das?«
Grace grinste und betrachtete ihn genauer, da er eigentlich noch mit einem Ohrring rechnete. »Jung, was?«
»Das auch – aber wie kommst du darauf?«
Grace grinste wieder. »Sie hat dich auch verjüngt, was?«
Da verstand Tindall und grinste verlegen. »Sie bringt mich um, Roy. Dreimal, jede Nacht.«
»Drei Versuche oder drei Erfolge?«
»Halts Maul.« Er musterte Grace von oben bis unten. »Siehst schick aus für einen Samstag. Heißes Date?«
»Eine Hochzeit.«
»Gratuliere – wer ist denn die Glückliche?«
»So glücklich ist sie wohl nicht«, gab er zurück und legte den kleinen Plastikbeutel mit der Erde, die er an Mark Warrens BMW sichergestellt hatte, neben das Hemd auf den Tisch. »Du musst Gas geben.«
»Die Leute wollen immer, dass ich Gas gebe.«
»Das ist nicht wahr, Joe. Bei der Tommy-Lytle-Sache habe ich dir gesagt, du bekommst alle Zeit, die du brauchst. Aber das hier ist etwas anderes. Ich habe einen Vermissten – ob er überlebt, hängt davon ab, wie schnell du das hier analysierst.«
Joe Tindall hob den Beutel hoch, schüttelte ihn leicht, sah angestrengt hin. »Ziemlich sandig.«
»Was verrät dir das?«
»Du hast am Telefon Ashdown Forest erwähnt.«
»Ja.«
»Könnte die Art von Erde sein, die man dort findet.«
»Könnte?«
»Großbritannien watet knietief im Sand, Roy. Natürlich gibt es Sandboden im Ashdown Forest – aber auch an Millionen anderer Orte.«
»Ich brauche ein Gebiet, das etwa zwei Meter lang und einen Meter breit ist.«
»Hört sich nach einem Grab an.«
»Ist es auch.«
Joe Tindall nickte und betrachtete wieder prüfend die Erde. »Ich soll mit diesem Tütchen ein Grab irgendwo im Ashdown Forest lokalisieren?«
»Jetzt ist der Groschen gefallen.«
Der Erkennungsdienstler nahm die Brille ab, als könnte er so klarer sehen, und setzte sie wieder auf. »Okay, Roy. Du lokalisierst das Grab und bekommst von mir einen Abgleich, ob die Erde von dort stammt oder nicht.«
»Eigentlich sollte es andersrum sein.«
Tindall hielt erneut den Beutel hoch. »Verstehe. Für wen hältst du mich? Bin ich David Copperfield? Meinst du, ich schwinge das hier durch die Luft und zaubere ein Grab inmitten eines zehntausend Hektar großen Waldes hervor?«
»Hast du ein Problem damit?«
»Das habe ich in der Tat.«
45
EINIGE STUNDEN SPÄTER fuhr Grace langsam an der All-Saints-Kirche in Patcham Village vorbei, wo um zwei Uhr die Hochzeit stattfinden sollte – in genau einer Dreiviertelstunde.
Es war seine persönliche Lieblingskirche. Eine klassische Dorfkirche im Early-English-Stil, schlicht, aus schmucklosem grauem Stein, mit kleinem Turm und einem schönen Buntglasfenster hinter dem Altar. Umgeben von einem überwucherten Friedhof mit Grabsteinen, deren Daten mehrere Jahrhunderte zurückreichten.
Er parkte den Alfa auf einem Grasstreifen gegenüber dem Eingang. Der starke Regen war einem Nieseln gewichen, und er hatte von hier aus einen ausgezeichneten Blick auf das Geschehen. Noch niemand zu sehen. Auf dem Asphalt lag feuchtes Konfetti von einer früheren Hochzeit.
Eine ältere Frau im Regenmantel zog einen Einkaufswagen hinter sich her und blieb
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