Stirb ewig
Kieselsteine gegen die Scheibe. Er schaltete die Scheibenwischer wieder ein, bremste ab. Gott, war das tief, hatte es so stark geregnet, seit er das letzte Mal hier gewesen war? Und dann – Scheiße, oh, Scheiße, nicht das!
Die Räder drehten durch.
Als er das Gaspedal betätigte, vibrierte der BMW, rutschte ein wenig zur Seite, wieder zurück.
Oh, Gott, nur das nicht!
Er durfte nicht stecken bleiben, unmöglich, um halb elf abends, an diesem Ort, wie zum Teufel sollte er das erklären?
Tief durchatmen…
Er atmete ein, schaute ängstlich in die Nacht hinaus, auf die Schatten um ihn herum, betätigte die Zentralverriegelung, hörte sie einrasten, ein schwacher Trost. Er schaltete die Innenbeleuchtung ein und sah aufs Armaturenbrett. Es gab Einstellungen für Geländefahrten, niedrige Übersetzung, Differentialsperre, lauter Dinge, die er hunderte Male gesehen, aber nie im Handbuch nachgelesen hatte.
Er holte das Handbuch heraus, blätterte im Stichwortverzeichnis und suchte die entsprechenden Seiten. Dann drückte er einen Hebel und einen Knopf, legte das Buch weg und trat vorsichtig aufs Gas. Der Wagen ruckte, rollte zu seiner Erleichterung aber vorwärts.
Er fuhr nicht schneller als fünfzehn, die Räder griffen besser, glitten mühelos durch die Pfützen. Dann bog er nach rechts zur Lichtung ab. Ein junges Kaninchen hoppelte vor den Wagen, machte kehrt und eilte davon. Dann huschte es wieder nach vorn. Er wusste nicht, ob er es erwischt hatte, wollte nur weiter, das Tempo halten, den Impuls, den sicheren Halt im Schlamm.
Die moosige, grasbewachsene Lichtung tauchte vor ihm auf. Erleichtert sah er, dass die Wellblechplatte noch immer unter den herausgerissenen Pflanzen verborgen lag.
Er fuhr weiter, bis er auf vergleichsweise festem Boden stand, schaltete den Motor aus, ließ aber die Scheinwerfer an, zog die neuen Gummistiefel über, griff sich die Taschenlampe und stieg aus.
Völlige Stille. Dann ein leises Rascheln im Unterholz. Er schoss herum, richtete die Lampe auf die Bäume. Hielt den Atem an. Wieder raschelte es, und ein großer Fasan floh ins Dickicht.
Er öffnete den Kofferraum, streifte die Gummihandschuhe über und trug das Werkzeug zum Rand des Grabes.
Mark verharrte reglos, blickte hinunter auf das Wellblech, horchte in die Nacht. Der Motor knackte. Wasser tropfte von den Bäumen, sonst war alles still. Eine Schnecke hatte sich an die Wellblechplatte geheftet wie eine Entenmuschel an ein Schiffswrack. Gut. Das Wellblech sah aus, als hätte es seit Jahren niemand angerührt.
Er legte Werkzeug und Taschenlampe ins Gras und zog die Platte zurück. Das Grab erinnerte an eine dunkle Gletscherspalte. Er umklammerte die Taschenlampe und richtete sich auf, konnte aber, so sehr er sich auch bemühte, keinen Schritt nach vorne gehen.
Als würde Michael jeden Augenblick nach ihm schnappen.
Ganz langsam schob er sich an das Grab heran, leuchtete mit der Lampe angstvoll in die rechteckige Grube.
Er atmete aus.
Alles unverändert. Die Erde noch aufgetürmt.
Er sah schuldbewusst hinunter. »Tut mir Leid, Partner«, flüsterte er, »ich – «
Doch es gab nichts zu sagen. Er kehrte zum Wagen zurück und schaltete das Licht aus. Nicht dass er um diese Zeit jemanden im Wald vermutet hätte – aber er wollte kein unnötiges Risiko eingehen.
Er brauchte fast eine Stunde, bis sein Spaten auf den hölzernen Sargdeckel traf. Viel mehr Erde, als er gedacht hatte – na gut, er hatte letztens ein bisschen draufgelegt, aber trotzdem… Er kratzte die Erde weg, bis der ganze Deckel sichtbar wurde, dazu die Messingschrauben an den vier Ecken. Und das kleine Loch für den Atemschlauch, das er mit Erde verstopft hatte.
Er rammte den Spaten in den Boden und machte sich mit dem Schraubenzieher an die Arbeit. Dann stellte er fest, dass es ein Problem gab: Der Sarg passte so genau ins Loch, dass er nur auf dem Deckel stehen konnte, was ein Öffnen unmöglich machte.
Er kletterte nach oben, klemmte sich die Taschenlampe zwischen die Zähne, streckte sich am Rand der Grube aus und griff nach unten. So konnte er den Deckel mühelos erreichen.
Er begann zu zittern. Was würde er darin finden? Er nahm die Taschenlampe aus dem Mund und rief leise: »Michael?« Dann lauter: »Michael? Hallo, Michael!«
Er klopfte mehrmals mit dem Schraubenzieher auf den Deckel, obwohl Michael ihn, falls er noch am Leben und bei Bewusstsein war, ohnehin längst gehört hätte. Vielleicht war er zu schwach, um sich zu
Weitere Kostenlose Bücher