Stirb, mein Prinz
vielleicht konnte sie auch nicht glauben, dass einer ihrer Kollegen ein Mörder ist.«
»Vielleicht. Wir werden es nie erfahren.«
Phil sah auf. »Was ist mit der anderen Frau? Donna Warren, so hieß sie doch.«
Don versuchte, von dort, wo er stand, in die Küche zu spähen. »Ich glaube nicht, dass sie hier ist.« Dann wandte er sich Phil zu. »Du denkst doch nicht, dass sie es getan hat, oder?«
»Du?«
Don gab keine Antwort.
»Wir wissen beide, wer unser Hauptverdächtiger ist.« Phil ließ den Blick noch einmal durchs Wohnzimmer schweifen. Er wollte nicht die ganze Zeit Rose anstarren. »Ich kann das Heft nirgendwo sehen.«
»Wie hat sie es beschrieben?«, fragte Don.
»Ein billiges blaues Schulheft. Komm, wir gehen nach oben.«
Langsam stiegen sie die Treppe hinauf, wobei sie achtgaben, nicht das Geländer zu berühren. Don trat genau in die Vertiefungen, die Phils Füße im Teppichboden hinterließen. Oben betraten sie das Schlafzimmer.
»Sieht so aus, als hätte es hier einen Kampf gegeben.«
Don sah sich um. »Aber kein blaues Heft.«
Phil drehte sich zu ihm um. »Weißt du, was ich glaube? Dass wir es nicht finden werden. Es ist nicht hier.«
»Du hast recht. Wir gehen besser.«
Sie machten kehrt und gingen die Treppe wieder hinunter. Auch diesmal gaben sie sich Mühe, nichts anzufassen. Unten angekommen, sah Don Phil an.
»Ich wette, Du-weißt-schon-wer hat es.«
Phil schenkte ihm ein grimmiges Lächeln. »Du-weißt-schon-wer? Sind wir jetzt bei Harry Potter gelandet?«
Don runzelte verständnislos die Stirn. »Was?«
»Egal. Du hast recht. Bestimmt hat Glass es inzwischen. Wir sollten –«
»Suchen Sie zufällig das hier, meine Herren?«
Erschrocken, plötzlich eine fremde Stimme zu hören, fuhren beide herum. Zwei Männer in Anzug und Krawatte standen in der Küchentür. Einer von ihnen hielt ein blaues Schulheft in die Höhe, das in einer durchsichtigen Beweismitteltüte aus Plastik steckte. Der andere hatte eine Waffe in der Hand.
Der mit der Waffe sprach. »Ich denke, wir sollten uns irgendwohin zurückziehen, wo wir ein bisschen mehr Ruhe haben, was meinen Sie?«
Phil zuckte die Achseln. »Wie Sie wollen.«
»Bewegung.«
Sie gehorchten.
94 Zum zweiten Mal machte Mickey sich auf den Weg zu der Fußgängerbrücke mit Blick auf Balkerne Hill. Er hatte das Gefühl, als wäre es schon länger als einen Tag her, dass er zuletzt hierhergekommen war. Die Luft wirkte kälter, der Himmel schwerer, düsterer. Die Geschwindigkeit der Autos unter ihm schneller, der Verkehrslärm lauter. Alles schien intensiver geworden zu sein.
Auch diesmal wartete Stuart bereits auf ihn. Er hatte sich die Lederjacke eng um den mageren Leib geschlungen, und in seinem Mundwinkel hing eine Zigarette, an der er so heftig zog, als könne er sich durch den Rauch warm halten.
Als Mickey näher kam, drehte er sich um. Er wirkte nervös. Verängstigt.
»Also. Sag mir, was passiert ist«, verlangte Mickey und stellte sich neben ihn.
»Stand doch alles in der SMS , die ich dir geschickt hab«, sagte Stuart, bevor er ein letztes Mal an seiner Selbstgedrehten saugte und die Kippe übers Brückengeländer schnippte.
»Tu einfach so, als hätte ich sie nie bekommen«, sagte Mickey.
Stuart runzelte die Stirn. »Hast du sie jetzt bekommen oder nicht?«
»Tu einfach mal so.«
Stuart nickte und zeigte mit dem Finger auf Mickey, als wolle er ihn an einer großen Weisheit teilhaben lassen. »Siehst du, das ist der Grund, weshalb ich mir nie was aufschreibe. Schriftliche Aufzeichnungen sind schon schlimm genug, aber die Elektronik, die ist noch viel schlimmer. Man weiß nie, wer mithört. Was ist, wenn uns gerade jetzt in diesem Moment jemand belauscht?«
Mickey runzelte verwirrt die Stirn. »Was? Wer denn?«
Stuart zeigte hinauf zu den Wolken. »Da oben. Satelliten. Die können aus dem Weltraum direkt zu uns runterbeamen, absolut präzise, und alles mithören, was wir sagen. Fotos machen und so weiter. Stimmt wirklich.«
»Aha. Also, was stand denn jetzt in deiner SMS ?«
Stuart schüttelte seufzend den Kopf. Ein Lehrer am Ende seiner Geduld, weil sein dummer Schüler die Lektion einfach nicht begreifen wollte. »Dass ich was über diesen Weaver rausgefunden hab. Worum du mich gebeten hattest.«
»Und was hast du rausgefunden?«
»Er leitet so ’ne Import-Export-Firma zusammen mit diesem Litauer. Und wir wissen ja, was Import-Export bedeutet, stimmt’s?«
»Kann alles Mögliche heißen«, sagte
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