Stirb, mein Prinz
Ich mache Ihnen ein Angebot: Vorher unterhalten wir uns noch ein bisschen, einverstanden?«
Ehe Gärtner etwas erwidern konnte, hatte Phil die Hand durch die Gitterstäbe gestreckt und ihm die Maske heruntergerissen.
Voller Entsetzen fuhr Gärtner zurück. Phil starrte ihn an.
Paul. Der Obdachlose.
Aber er sah jünger aus. Dieser irre, wilde Blick.
Diese Wut.
Mit einem Aufschrei, die Klinge hoch erhoben, stürzte Gärtner auf das Gitter zu.
122 Ratternd setzte sich das Rolltor der Lagerhalle in Bewegung und glitt langsam tiefer.
»Noch warten …« Fennell beobachtete es angespannt.
Genau wie alle anderen.
»Jetzt«, sagte er in sein Mikrofon. »Erstes Team auf Position. Überwachungskameras ausschalten.«
Vom Wagen aus sah Mickey, wie zwei bewaffnete Männer rechts und links neben dem Eingang zum Gelände Stellung bezogen, nach oben fassten und die Kabel der Überwachungskameras durchtrennten.
»Gut.«
Das Tor senkte sich weiter.
Mickey warf einen Blick auf Clemens. Der sah wie alle anderen zur Lagerhalle hinüber, schien aber mit den Gedanken woanders zu sein.
Das Tor war geschlossen. Fennell wandte sich an sein Team.
»Fertig? Dann los, los, los!«
Adrenalin in den Adern, drehte der Fahrer den Zündschlüssel um und gab Gas. Frontscheinwerfer flammten auf. Die anderen Wagen folgten dem Signal. In einer Reihe fuhren sie los.
Direkt aufs Tor zu.
123 »Stehen Sie auf«, befahl Glass. »Langsam.«
Marina richtete sich auf. Sie hatte ihm noch immer den Rücken zugedreht.
»Ich muss schon sagen«, meinte er. »Mit Ihnen habe ich hier nicht gerechnet, Dr. Esposito. Ganz und gar nicht. Wo ist Ihr Freund?«
Mit dem Kinn deutete Marina auf den Schachteingang. »Da unten.«
Glass lachte. »Im Ernst?«
»Ja«, sagte Marina. »Im Ernst.«
»Na, dann rechne ich mir für ihn keine allzu großen Chancen aus.« Erneutes Auflachen, das jedoch jäh abbrach. »Nein«, sagte er, mehr zu sich selbst als zu Marina. »Vielleicht heimst er dann den Ruhm ein. Nein, das darf ich nicht …«
Marina richtete sich auf. Drehte sich um. Glass hatte nicht bemerkt, dass sie eine Handvoll Dreck und Steine aufgehoben hatte. Das wurde ihm erst klar, als sie ihm alles ins Gesicht schleuderte.
Er brüllte auf, fuhr sich mit den Händen ins Gesicht.
»Miststück!«
Mit geschlossenen Augen, die Waffe noch in der Hand, versuchte er, nach ihr zu greifen.
»Komm her, du …«
Marina sah sich um und überlegte fieberhaft. Wenn sie weglief, würde er sie finden. Auch wenn sie ihn kurz außer Gefecht gesetzt hatte, früher oder später würde er sie einholen. Sie kannte sich im Wald nicht aus, noch dazu im Regen und bei Dunkelheit.
Ihr blieb nur eine Alternative.
Sie sah nach vorn, und ohne lange über ihre Entscheidung nachzudenken, sprang sie geradewegs in den Schacht hinab.
124 Mit einem Satz war Gärtner am Gitter.
Phil wusste, dass er handeln musste. Beschloss zu pokern. Er machte einen Schritt zurück und hielt die Maske in die Höhe. »Vorsicht. Sie wollen doch nicht, dass die hier kaputtgeht, oder?«
Gärtner erstarrte. Funkelte ihn an. In seinen Augen glomm tiefer, dunkler Hass. »Gib mir das.«
»Was denn, das hier?« Phil hatte mit seiner Vermutung recht gehabt. Die Maske war dem Gärtner kostbar. Er hielt sie noch ein Stück höher und wich weiter zurück. »Sie wollen die hier wiederhaben?«
»Gib sie mir!«, schrie Gärtner mit vor Wut und Wahnsinn überschnappender Stimme. »Gib sie mir …« Dann musste er plötzlich husten.
Phil beobachtete ihn. Er sah nicht gesund aus. Wie es schien, hielt ihn allein sein kranker, hasserfüllter Geist noch aufrecht.
»Lassen Sie mich hier raus«, sagte Phil so ruhig und vernünftig, wie er es vermochte, »dann können wir darüber reden.«
Die einzige Antwort, die er bekam, war Husten. Gärtner krümmte sich vornüber, sein Rücken bebte. Als er sich irgendwann wieder aufrichtete, war sein Mund blutverschmiert. Er kümmerte sich nicht darum, wischte das Blut einfach mit dem Ärmel weg. Dann starrte er Phil an.
»Bleib, wo du bist«, sagte er. »Gib mir mein Gesicht zurück …«
»Nein«, sagte Phil. »Zuerst reden wir. Dann gibt es die Maske.«
Gärtner starrte ihn weiter an. Sein Mund war geöffnet, er röchelte und pfiff wie eine alte Wasserleitung. Blutige Speichelfäden hingen zwischen seinen Lippen und vibrierten bei jedem Atemzug.
»Ich weiß, wer Sie sind«, sagte Phil.
Gärtner schwieg.
»Richard Shaw, habe ich recht? Tricky Dicky Shaw. Der psychotische
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