Stirb, mein Prinz
da.
Er saß im Käfig.
Sein Alptraum war Wirklichkeit geworden.
Er sah sich um. Neben ihm hatte sich Finn so weit wie möglich in eine Ecke gedrückt. Die Augen des Jungen waren starr und leer. Schock , dachte Phil. Wen wunderte es.
Phil brummte der Schädel nach dem Schlag, den der Gärtner ihm versetzt hatte. Ihm war schwindlig und übel. Sein Körper war kraftlos und schmerzte nach dem Kriechen durch den Tunnel. Und die Panik in ihm wurde immer stärker. Er wusste, dass er ihr nicht nachgeben durfte, also versuchte er, sie zu unterdrücken, zu kontrollieren. Stattdessen irgendetwas Nützliches zu tun.
Er spähte durch die Gitterstäbe. Der Gärtner stand mit gesenktem Kopf vor dem Altar. Er bewegte eine Hand über den Flammen der zwei Kerzen, die rechts und links von ihm aufgestellt waren, und murmelte eine Beschwörungsformel. Dass Phil wach geworden war, hatte er nicht bemerkt. Umso besser.
Finn schaffte es, sich zusammenzureißen und Phil anzustarren. Dann kroch er noch weiter von ihm weg.
»Keine Angst«, wisperte Phil. »Ich bin ein Freund. Ich will dir helfen. Dich hier rausholen.«
Er sah, wie die Lippen des Jungen stumm das Wort »Freund« formten. Hoffentlich konnte Phil der Bezeichnung gerecht werden.
Er packte die Gitterstäbe und versuchte an ihnen zu drehen.
Nichts.
Er ließ nicht locker, drehte, so fest er konnte.
Nichts. Die Knochen gaben keinen Millimeter nach.
Noch einmal. Diesmal mit aller Kraft.
Na bitte. Ein Knacken. Nur ein haarfeiner Riss im Knochen. Aber ein Anfang. Phil machte weiter.
Gärtner hob den Kopf. Sah, was Phil versuchte. Nahm eine der Klingen vom Tisch und kam auf ihn zu. Phil ließ die Gitterstäbe los, blieb aber, wo er war.
Aus der Nähe sah die Maske des Gärtners furchterregend aus. Sie hatte nichts Menschliches an sich, da war kein Gesicht, zu dem man hätte sprechen können. Stattdessen sah sie aus wie eine zum Leben erwachte Vogelscheuche aus einem Horrorfilm. Wahrscheinlich war das genau der Grund, weshalb er sie trug, durchfuhr es Phil.
Er war fest entschlossen, keine Angst zu zeigen, sich von der Gestalt nicht einschüchtern zu lassen. Schließlich hatte er sie bereits ohne Maske gesehen, sogar mit ihr gesprochen.
Falls sein Verdacht richtig war.
»Ich nehme mal an«, sagte er mit einer Stimme, die lauter und selbstsicherer klang, als ihm zumute war, »dass die Mumie da drüben auf dem Bett Paul Clunn ist?«
Gärtner blieb stehen. Neigte den Kopf zur Seite und hörte ihm zu. Phil redete weiter.
»Seine Leiche. Ich habe sie drüben in der Kammer gefunden. War er Ihr erstes Opfer? Haben Sie bei ihm entdeckt, dass Sie Spaß daran haben?«
Gärtner stand still und schwieg.
»Was ist?«, sagte Phil mit unvermindert lauter Stimme. »Hat es Ihnen die Sprache verschlagen? Sieht Ihnen gar nicht ähnlich.«
»Du kennst mich nicht …« Die Stimme, die durch die Maske drang, war leise und rau. Wie von jemandem, der sich immer wieder zwanghaft räuspern musste.
»Und ob ich Sie kenne«, sagte Phil. »Und ob.«
»Wer … Ich bin …«
»Der Gärtner, ja, das weiß ich. Aber das ist nur die Maske, nicht wahr? Das ist nur Ihre Larve. Sie setzen sie auf, und schon sind Sie er. Wenn Sie sie abnehmen, dann sind Sie –«
Gärtner machte einen Schritt auf ihn zu und hob die Hand. Die Klinge in seiner Faust blinkte.
Phil sprang zurück. Sein Herz hämmerte. Er hatte schon einmal dem Tod ins Auge gesehen, aber das hier war etwas anderes. Dies war der Tod, von dem er geträumt hatte. Es war wie eine Prophezeiung, und er musste verhindern, dass sie eintrat. Egal, wie viel Angst er hatte.
Und er hatte große Angst.
Nicht nur vor dem Wahnsinnigen mit dem Messer. Sondern auch vor dem, wofür er stand. Er war ein Alptraum. Er hatte Macht über Phil.
Diese Macht musste Phil brechen.
»Schlitzen Sie mich jetzt auf, ja?«, sagte er und hoffte, dass seine Stimme nicht verriet, wie sehr er am ganzen Leib zitterte. »Das ist wohl Ihr Patentrezept für alles?«
Gärtner knurrte und ließ die Klinge dicht vor den Gitterstäben durch die Luft sausen. Phil merkte, wie Finn neben ihm am Boden zusammenzuckte und zu wimmern begann.
»Bravo«, sagte Phil und klatschte spöttisch in die Hände. »Respekt. Mehr haben Sie nicht zu bieten?«
Gärtner trat ganz nah an den Käfig heran. »Ich kann dich töten …«
»Sicher«, sagte Phil. Er bemühte sich darum, gelassen zu klingen, und betete, dass seine Stimme ihn dabei nicht im Stich ließ. »Aber wo bliebe dann der Spaß?
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