Stirb, mein Prinz
wobei sie um ein Haar von der Sofakante gerutscht wäre. »Kommen Sie, Donna. Sagen Sie es mir doch einfach. Ist sie anschaffen gegangen? Hat sie sich mit einem Freier getroffen? Dope gekauft? Was?«
Bei dem Wort »Dope« bedachte Donna Rose mit einem vernichtenden Blick. »Sie war nicht auf Drogen.« Ihre Stimme wurde lauter, wirkte ungehalten.
Schon klar, Süße , dachte Rose. »Das will ich auch gar nicht behaupten, Donna. Ich frage bloß, wo sie gestern Nacht war.«
»Sie hat sich Hilfe gesucht, so ist das nämlich. Sie war kein Junkie.«
»Hilfe gesucht? Gestern Nacht?«
Donna zögerte. »Nein. Nicht gestern Nacht. Sie wollte Unterstützung haben. Vom St. Quinlan’s Trust. Unten in der Stadt. Hatte sogar schon einen Platz.«
Rose verbuchte einen kleinen Sieg. Sie hatte Donna bei einer Lüge ertappt. »Sie hatte also kein Drogenproblem?«
»Nein.« Wieder zögerte Donna. »Sie hat ein Kind. Sie hat ein paarmal was genommen. Nicht oft, nur hin und wieder. Aber sie wollte clean werden, richtig clean, für ihr Kind.«
Rose nickte. »Aha. Und wo ist dieses Kind jetzt?«
Donna deutete mit dem Kinn in Richtung Treppe.
Erneut machte sich Schweigen breit.
»Also«, nahm Rose den Faden wieder auf. »Gestern Nacht. Wo war Faith da? Wohl kaum beim St. Quinlan’s Trust, oder?«
Donna schüttelte den Kopf. »Sie war arbeiten. Zum letzten Mal, hat sie gesagt. Ich hab ihr gesagt, sie soll’s sein lassen. Aber nein. Noch ein Mal. Um noch ein bisschen Kohle zu machen. Zur Überbrückung. Bis sie clean war und sich einen Job besorgen konnte.« Donna ließ den Kopf hängen und sackte in sich zusammen. »Noch ein letztes Mal …«
Rose wartete, während Donna um Fassung rang. Sie hegte keinerlei Sympathie für die Frau, die ihr gegenübersaß. Sie sah in ihr nicht einen Menschen, der gerade eine Freundin verloren hatte. Sie empfand kein bisschen Mitleid mit ihr. Rose hatte eine sehr klare Definition von richtig und falsch. Wenn eine Frau ihren Körper verkaufte – aus welchem Grund auch immer –, dann war das verabscheuenswert. Und wenn sie sich aus freien Stücken der Sorte Mann hingab, die das tat, was der Unbekannte Faith angetan hatte, dann war sie selbst schuld an ihrem Schicksal. Das Einzige, was Rose für so jemanden übrig hatte, war Verachtung.
Dann dachte sie an ihren ehemaligen Geliebten, DCI Fenwick. Sie hatte ihn nicht sonderlich attraktiv gefunden, aber trotzdem mit ihm geschlafen. Sich ihm aus freien Stücken hingegeben. Doch das war etwas anderes. Sie hatte einen Vorteil daraus gezogen.
Sie verbannte den Gedanken aus ihrem Kopf. Er machte sie nur noch wütender.
Donna hatte sich bald wieder im Griff. Diesmal brauchte sie etwas länger, und der Kampf war härter, aber sie schaffte es. Rose bezweifelte, dass sie sich beim nächsten Mal auch so schnell erholen würde, und schob gleich noch eine Frage hinterher.
»Das heißt, Sie haben keine Ahnung, mit wem sie sich gestern Nacht getroffen haben könnte?«
Donna schüttelte den Kopf.
»Hatte sie Stammkunden? Hat sie erwähnt, dass sie sich mit einem von ihnen treffen wollte?«
»Nein. Sie hat bloß gesagt, dass sie arbeiten geht. Ein bisschen Kohle machen.«
»Und was haben Sie letzte Nacht gemacht?«
Sofort setzte Donna sich kerzengerade hin. »Geht Sie einen Scheißdreck an.«
Das glaube ich gern , dachte Rose. »Was ist mit Freunden? Zuhältern? Fällt Ihnen da jemand ein?«
Etwas flackerte in Donnas Augen auf. Es war zu schnell wieder verschwunden, als dass Rose es hätte deuten können. »Ja«, sagte sie. »Sie hat einen Ex. Der hat sie manchmal auf den Strich geschickt. Sie musste für ihn anschaffen gehen. Er ist schuld dran, dass sie Steine geraucht hat, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Rose spürte die vertraute Hitze in ihrem Innern. Sie hatte eine Spur. »Hat dieser Ex auch einen Namen?«
»Daryl. Daryl Kent.«
»Und wo kann ich ihn finden?«
»Was, jetzt? Im Shakespeare. Da ist er immer. Zockt Pool.«
»Aha.« Rose erhob sich. Froh, eine Zielscheibe für ihre Wut gefunden zu haben. »Es tut mir leid, Donna. Hatte Faith Familie?«
Donna schüttelte den Kopf, ohne Rose anzusehen. »Sie hatte mich. Ich war ihre Familie. Und Ben.« Ihre Stimme war dünn und brüchig.
»Die Angehörigenbetreuung wird sich bei Ihnen melden.«
Donna zuckte die Achseln. Was auch immer.
»Es … tut mir leid.« Die Worte verließen Roses Mund nur widerstrebend.
Donna sagte nichts. Trat zur Tür, öffnete sie.
Rose ging.
Draußen auf der
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