Stirb, mein Prinz
schon den ganzen Tag beschäftigt sind?«
Pauls Miene verdüsterte sich, und er zog die Brauen zusammen. Furcht flackerte über seine Züge.
»Was ist los, Paul? Stimmt irgendwas nicht mit dem Haus?«
Paul wich vor Phil zurück, als wolle er seinen Worten ausweichen. »Nein … nein … da drin … da drin … war … das Böse.«
Phil beugte sich noch weiter vor. Na bitte , dachte er. Es wird doch . Selbst wenn der Obdachlose verwirrt war. »Das Böse? Was meinen Sie damit?«
»Da drin war … Nein. Ich kann … ich kann’s nicht sagen …«
»Warum nicht, Paul? Warum können Sie es nicht sagen?«
»Weil er … dann zurückkommt, und ich … nein … Er ist böse, böse …«
»Böse? Der Mann in dem anderen Haus ist böse? Das Haus, in dem wir zuerst waren?«
Pauls Stirn legte sich in Falten. Die Frage schien ihn zu verwirren, aber er fuhr trotzdem fort. »Ein Mann. Mit einem Traum. Von Liebe. Davon, etwas zu erschaffen … erschaffen …«
Phil lehnte sich zurück und unterdrückte einen Seufzer. Er hatte sich einen echten Hinweis erhofft. Stattdessen bekam er nur eine wirre Geschichte aus dem umnachteten Verstand eines Obdachlosen.
»War das der böse Mann? Ist er derjenige, von dem Sie eben gesprochen haben?«
Paul blickte ins Leere und redete weiter, als habe er Phil gar nicht gehört.
»Der Mann … Er … er hat andere an seiner Liebe teilhaben lassen … Und es war gut … Aber dann … kamen … die schlechten, die bösen … Männer …«
Paul verstummte. Erneut lehnte Phil sich nach vorn. »Wohin sind die bösen Männer gekommen, Paul? In das Haus? Das Haus, in dem Sie leben? Oder in das andere Haus? Welches Haus meinen Sie?«
Erneutes Stirnrunzeln. »Die bösen Männer … Schlangen im Paradies …« Pauls Gesicht verzog sich, als würde er jeden Augenblick anfangen zu weinen. »Ich … ich will einfach nur die Sonne sehen …« Er verstummte, und eine drückende Stille trat ein, während er mit fauligen Zähnen seine Unterlippe bearbeitete, sein Kopf sich langsam hin und her bewegte und sein Körper vor und zurück schaukelte.
»Was ist mit den bösen Männern?« Phil wusste, dass er nicht zu ihm durchdrang.
Pauls Sprache war so gestört und wirr wie alles andere an ihm, aber dennoch ließ sie Spuren von Bildung, wenn nicht gar Belesenheit erkennen. Der Widerhall einer anderen Person. Des Menschen, der er früher einmal gewesen war. Phil dachte darüber nach. Vermutlich war genau das der Grund, weshalb er nicht seinem ersten Impuls nachgegeben und das, was der Mann sagte, als sinnloses Gestammel eines Verrückten abgetan hatte. Pauls Worte beschäftigten ihn. Er dachte an die Symbole an der Wand des Hauses und des Kellers. Sie schienen von zwei unterschiedlichen Zeichnern zu stammen, stellten aber eindeutig dasselbe Symbol dar. Irgendetwas Mystisches. Kein Pentagramm. Und nun auch noch Pauls Formulierung. Schlangen im Paradies …
Erneut regte sich etwas in Phil. Etwas, das er nicht zu fassen bekam.
Er versuchte es mit einem anderen Ansatz. »Das Zeichen an der Wand in Ihrem Haus«, sagte er. »Haben Sie das gemalt?«
Paul hörte auf, sich hin und her zu wiegen, und sah Phil fragend an.
»An der Wand – das Zeichen. Was bedeutet es, Paul?«
»Das ist … das Leben. Das ist … alles …«
Dann verfiel er erneut in Schweigen. Schaukelte weiter vor und zurück, während sich seine Lippen bewegten und unausgesprochene Worte formten.
Phil probierte es weiter, aber es kam keine Reaktion. Als klar wurde, dass er fürs Erste nicht mehr aus Paul herausbekommen würde, stand er auf.
»Bleiben Sie bitte noch kurz hier sitzen, Paul. Ich bin gleich zurück.«
Er drehte sich um und verließ den Wagen, froh über die frische Luft. Er warf sich ein Pfefferminz in den Mund, um den Gestank loszuwerden. Sollte einer der Birdies als Nächstes sein Glück mit Paul versuchen. Mal sehen, wie die sich bei der Sache schlugen.
Phil glaubte nicht, dass der Obdachlose ihr Täter war. Das sagte ihm sein Instinkt, und er hatte gelernt, seinem Instinkt zu vertrauen. Höchstwahrscheinlich wusste Paul etwas, aber was auch immer es war, es würde schwer werden, es aus ihm herauszubekommen. Falls sie es überhaupt schafften.
Er sah auf die Uhr. Marina musste bald da sein. Gut. Er freute sich schon darauf, sie zu sehen.
Und andererseits auch wieder nicht. Weil nämlich irgendetwas nicht stimmte. Mit ihm. Das Haus … Es hatte etwas in seinem Innern zum Schwingen gebracht. Etwas Dunkles, Hässliches.
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