Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
Vom Netzwerk:
seins nicht. Niemals. Weil er nämlich eine Freude in sich trug, die sie niemals haben würden. Niemals kennen würden.
    Die Straße entlang, auf und davon.
    Er hörte den Lockruf der Höhle. Wusste, wer in der Höhle saß. Wozu er fähig war. Aber Paul war weichherzig. Das war seine Schwäche. Er würde hineingehen und nachsehen, ob es ihm gutging. Nachsehen, ob er sich geändert hatte, ob er jetzt bereit war, brav zu sein, so dass man ihn freilassen konnte. Von Kain zu Abel. Manchmal schwor er, dass er sich gebessert habe. Aber damit wollte er Paul bloß austricksen. Er war brav, damit Paul ihn herausließ. Und hinterher war er dann genau wie immer. Schlecht. Ein schlechter Mensch. Böse. Die Schlange im Paradies. Und dann warf er Paul in die Höhle. Und Paul saß im Dunkeln, weinte und schrie. Fühlte sich schuldig wegen dem, was er getan hatte. Versuchte, einen Weg nach draußen zu finden. Um die Sonne zu sehen und die frische Luft zu atmen. Aber es gab keinen Weg nach draußen. Nicht, bis Gärtner sich entschloss, ihn freizulassen.
    Und Paul fiel jedes Mal darauf herein.
    Jedes Mal.
    Diesmal auch. Er wusste, dass er darauf hereinfallen würde. Das tat er immer. Weil er schwach war. Früher hatte er gedacht, es wäre keine Schwäche, sondern Sanftmut. Denn sie sollen das Erdreich besitzen. Er hatte es versucht. Und jetzt sah man, was dabei herausgekommen war. Gärtner nämlich. Und all die anderen.
    Er beeilte sich, von den Leuten wegzukommen.
    Denn sosehr er sich auch dagegen sträubte, die Höhle rief nach ihm.
    Und er wusste, es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als sie zu öffnen.
    36 Donna zog die Tür fest hinter sich zu. Das Geräusch war laut. Endgültig.
    Sie sah zu Ben, der neben ihr stand. Der Junge trug seine besten Sachen. Er hatte seinen neuen Anorak an – jedenfalls war er neu für ihn – und hatte den Reißverschluss bis zum Hals hochgezogen. Mit verständnislosem, aber vertrauens­seligem Blick sah er zu ihr hoch. Ein Schauer mütterlicher Gefühle durchfuhr Donna. Auf sich selbst aufzupassen war eine Sache. Aber jetzt musste sie auch noch an ihn denken.
    »Alles klar bei dir?«, fragte sie ihn.
    Er nickte.
    »Weißt du noch, was du machen sollst?«
    Wieder ein Nicken. »Das Gleiche wie du«, sagte er. »Das, was du mir sagst.«
    Sie rang sich ein grimmiges Lächeln ab. Hoffentlich jagte sie ihm damit keine Angst ein. »Gut. Dann komm.«
    Sie hatte eine Reisetasche gepackt, alles reingestopft, was reinging. Diese Tasche schwang sie sich jetzt über die Schulter und nahm Bens Hand. Sie sah zum Wagen. Er stand immer noch an derselben Stelle. Vorne saßen die zwei Männer und taten so, als würden sie nicht zu ihr rüberschauen.
    Donna machte sich auf den Weg die Straße runter, weg von der Einmündung zur Barrack Street. Es dämmerte bereits. Das Grau des Himmels wurde dunkler, die Natriumlampen warfen orangefarbenes Licht auf die Straßen.
    Sie gingen direkt am Wagen vorbei. Donna musterte die zwei Männer durch die Windschutzscheibe. Beide waren groß, beide hatten Anzüge an.
    Genau wie Faith gesagt hatte.
    Sie schluckte trocken, gab Ben das Zeichen und rannte los.
    Zuerst passierte gar nichts. Dann hörte sie, wie Autotüren aufgestoßen und zugeknallt wurden. Hastige Schritte hinter ihr. Sie kamen ihnen hinterher.
    Bens Hand noch immer fest umklammert, rannte Donna die Straße runter und um eine Ecke. Hier standen keine Häuser. Es war ein Fußgängerweg, ein Durchgang zur Parallelstraße. Auf der einen Seite ein Maschendrahtzaun mit Büschen davor, auf der anderen die Wand einer mit Graffiti beschmierten Garage.
    Die Tasche über der Schulter, rannte sie den Weg entlang. Zum Glück hatte sie Turnschuhe angezogen. Ben tat sein Bestes, um an ihr dranzubleiben. Um die nächste Ecke, dann blieben sie stehen.
    Es war eine lange Gasse, Gestrüpp zu beiden Seiten, der Boden voll mit Fastfood-Verpackungen und leeren Plastikflaschen. Glasscherben funkelten wie ungeschliffene Diamanten im schwachen Licht einzelner Laternen. Kein Mensch zu sehen.
    »Los, stell dich hinter mich, schnell.«
    Ben gehorchte und klammerte sich an Donnas Bein.
    »Klammer dich nicht an mir fest, steh einfach nur hinter mir.«
    Er ließ sie los.
    Donna wartete, flach gegen den Zaun gepresst. Nach dem Sprint bekam sie kaum Luft. Wenn sie hier lebend wieder rauskam, würde sie keine Kippe mehr anrühren, das schwor sie sich. Oder wenigstens nicht mehr so viele.
    Alles, was sie hörte, waren ihre eigenen

Weitere Kostenlose Bücher