Stirb, mein Prinz
Atemgeräusche.
Sie fühlte in ihrer Jackentasche nach. Alles da. Gut. Sie nahm den kleinen zylinderförmigen Gegenstand raus und hielt ihn fest in der Hand.
Dann hörte sie Schritte auf dem Asphalt. Sie machte sich bereit. Wusste, dass sie nur eine Chance hatte. Sie musste alles richtig machen.
Da war schon der Erste. Sie sah ihn nicht mal an, um sich zu vergewissern, dass es wirklich einer der beiden war. Zielte bloß mit ihrem Pfefferspray und sprühte ihm eine Ladung direkt in die Augen.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihm klar wurde, was geschehen war, doch kaum hatte er sich vom ersten Schock erholt, setzte der Schmerz ein. Er warf den Kopf in den Nacken und begann sich wie wild die Augen zu reiben. Dann sackte er auf die Knie, den Kopf nach vorn gebeugt. Er keuchte und schrie.
Dann kam der zweite. Donna wirbelte herum, bereit, ihm ebenfalls eine Dosis zu verpassen. Aber er war zu schnell. Hatte die Situation sofort begriffen. Würde nicht denselben Fehler machen. Mit vor Wut blitzenden Augen sah er sie an. Holte aus. Schlug ihr mit der Faust die Spraydose aus der Hand.
Machte einen Schritt auf sie zu.
Er lächelte. Sie saß in der Falle.
Dachte er.
Ihr Herz klopfte so schnell, dass sie dachte, ihre Brust würde davon zerspringen. Donna fasste in ihre Tasche. Plan B. Sie zog es heraus.
Das Küchenmesser.
Sie hielt es fest umklammert, spürte sein Gewicht in ihrer Hand. Sah, wie das Licht auf der langen, scharfen, schweren Klinge blinkte.
Stieß, ohne zu zögern, einfach zu. So schnell und heftig, wie sie konnte.
Vor Entsetzen wie gelähmt, stand der Mann da. Sah an sich herab. Aus seiner linken Schulter quoll Blut, lief über sein weißes Hemd bis zum Gürtel. Dann sah er Donna an. Erstaunt.
Auch Donna war von dem Anblick erschrocken. Kaum zu glauben, dass sie es tatsächlich getan hatte, dass sie zu so was fähig war. Aber sie hatte sich schnell wieder im Griff. Erkannte, dass die Verletzung ihn nur behinderte, aber nicht außer Gefecht gesetzt hatte. Stach ein zweites Mal zu.
Das Blut floss schneller und färbte den weißen Stoff seines Hemds tiefrot.
Donna sah das Messer an, dann den Mann. Er taumelte nach vorn, sackte auf ein Knie, versuchte sich mit einer Hand abzustützen. Er sah zu ihr auf. Fassungslosigkeit war dem Schock gewichen, und der wiederum hatte nacktem Entsetzen Platz gemacht. Angst stand in seinen Augen.
Und Donna spürte, wie ein Gefühl der Kraft sie durchströmte. So musste es sein, wenn man ein Mann war. Wenn man die Kontrolle hatte, die Macht. Das Gefühl war ihr völlig neu. Es war unglaublich.
Erneut betrachtete sie das Messer. Am liebsten hätte sie wieder zugestochen und immer wieder, so lange, bis nichts mehr von ihm übrig war als Blut und Fetzen. Sie wollte alles an ihm auslassen. Ihn büßen lassen für all die Jahre voller Schmerzen und Gewalt, die andere Männer ihr zugefügt hatten.
Erneut zuckte das Messer auf ihn zu. Er wich zurück.
Sie riss sich zusammen. Machte sich klar, dass sie es aus einem ganz bestimmten Grund getan hatte. Zu einem ganz bestimmten Zweck.
»Gib mir deinen Autoschlüssel. Los!«, brüllte sie. Adrenalin ließ ihre Stimme anschwellen.
Er zog die Schlüssel hervor und warf sie auf den Boden.
»Ben, heb sie auf.«
Sie warf einen Blick hinter sich auf den Kleinen. Er stand da, hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und schlotterte.
»Das sind böse Männer, Ben«, sagte sie scharf. »Die wollten uns weh tun. Wir haben keine andere Wahl. Schnell.«
Er rührte sich nicht. War starr vor Schreck.
»Ach, verdammte Scheiße noch mal«, fluchte sie und bückte sich selbst, um die Schlüssel aufzuheben. »Und jetzt eure Brieftaschen. Nur das Bargeld.«
Keiner der beiden Männer bewegte sich; sie lagen einfach nur da und stöhnten.
»Wird’s bald!« Sie fuchtelte mit dem Messer herum. Das wirkte.
Beide fassten in ihre Taschen und warfen ihr die Geldbörsen hin. Sie bückte sich und nahm das Bargeld raus. Sie zählte nicht nach, bevor sie es einsteckte, aber es schienen mehrere Hunderter zu sein.
»Und jetzt die Handys.«
Die Männer gehorchten. Sie hob die Handys auf und warf sie über den Zaun.
»Gut«, sagte sie zu Ben. »Komm.«
Sie packte seine Hand und zog ihn mit sich fort. Der Wagen parkte noch an derselben Stelle. Donna rannte hin, warf die Reisetasche auf den Rücksitz und sagte Ben, er solle vorn einsteigen. Er gehorchte wie betäubt.
Donna sprang hinters Steuer.
Dann machte sie, dass sie wegkam.
37 Das Telefon
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