Stirb, Schätzchen, Stirb
aufgemacht.
Weshalb hätte sie das machen sollen, wenn sie von ihrem Mörder schon am Tag zuvor zusammengeschlagen worden war? Wo waren ihre Angst, ihr Zorn, ihr Selbsterhaltungstrieb geblieben?
Eine Frau, die über ein Jahrzehnt mit den Behörden spielen konnte, hatte ganz eindeutig einen ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb.
Weshalb sollte man sich - selbst mit Schmerzen - allein in einem Hotelzimmer betäuben, nachdem einen jemand verprügelt hatte, der offensichtlich in der Lage war, das noch einmal zu tun? Vor allem, wenn die eigene Familie in der Nähe war?
Außer, die eigene Familie hatte einen derart verletzt. Was nicht ausgeschlossen war. Aber wenn dem so war, weshalb hätte sie in einem Zimmer bleiben sollen, in dem sie so leicht erreichbar, in dem sie so verletzlich war?
Sie drehte ihren Kopf, als Roarke durch die Verbindungstür zwischen ihren beiden Arbeitszimmern trat.
»Wenn dich jemand zusammenschlägt und du nicht willst, dass die Polizei was davon mitbekommt...«, setzte sie ohne Umschweife an.
»Das würde ich sogar bestimmt nicht wollen.«
»Stimmt, okay, kapiert. Aber würdest du auch deinem Sohn nichts davon erzählen?«
»Bisher habe ich noch keinen Sohn, dem ich davon erzählen könnte.« Er nahm auf der Kante ihres Schreibtischs Platz. »Aber wenn ich einen hätte, hielte mich mein Stolz möglicherweise davon ab.«
»Das ist typisch männlich gedacht. Denk wie eine Frau.«
»Das fällt mir ziemlich schwer«, erklärte er ihr lächelnd. »Warum machst du das nicht einfach selbst?«
»Wenn ich denke wie diese Frau, heule ich so schnell wie möglich jedem, der es hören will, die Ohren voll. Aber das tut sie nicht, und das wirft mehrere Möglichkeiten auf.«
»Zum einen, dass sie es ihrem Sohn deshalb nicht zu erzählen braucht, weil sie von ihm vermöbelt worden ist.«
»Genau«, stimmte sie zu. »Wobei das nicht unbedingt zu meiner Erinnerung an die Beziehung zwischen ihnen passt. Wenn sich ihre Beziehung seither derart verschlechtert hat, weshalb bleibt sie dann an einem Ort, an dem er sie jederzeit erreichen kann?«
Er nahm die kleine Statue der Göttin, die, wie er dachte, ein Symbol der Mutter war, von ihrem Tisch und spielte gedankenverloren damit herum. »Wir wissen beide, dass Beziehungen manchmal sehr schwierig sind. Es wäre durchaus möglich, dass er sie regelmäßig geschlagen hat, dass sie es gewohnt war und deshalb mit niemandem geredet und ihm auch nicht extra aus dem Weg gegangen ist.«
»Dann ist da noch die Schwiegertochter. Sie hat keine blauen Flecken, und es gibt auch sonst kein Anzeichen dafür, dass sie von ihrem Mann misshandelt wird. Aber ein Typ, der seine eigene Mutter schlägt, schlägt bestimmt auch seine Frau. Was einfach nicht zu Bobby passt.«
»Wenn man ihn also auf der Liste der Verdächtigen nach unten setzt«, er stellte die Statue zurück, »wer rückt dann an seinen bisherigen Platz?«
»Sie will nicht, dass irgendjemand was davon erfährt. Und zwar nicht aus Stolz, sondern weil sie irgendwas damit bezweckt. Sie hatte ganz eindeutig irgendeinen Plan.« Dies war eine Vorstellung, die ihr gefiel.
»Aber das erklärt noch nicht, warum sie so viel Wein getrunken und genügend Schmerzmittel genommen hat, um regelrecht betäubt zu sein.«
Sie wühlte zwischen den Aufnahmen der toten Frau herum, legte die Großaufnahme von Trudys Gesicht zuoberst auf den Stapel und sah sie sich genauer an. »Sie sieht nicht verängstigt aus. Wenn sie verängstigt gewesen wäre, hätte sie sich entweder hinter ihrem Sohn versteckt, sicher in ihrem Zimmer eingeschlossen oder wäre getürmt. Aber sie hat nichts von alledem getan. Warum hatte sie keine Angst?«
»Es gibt Menschen, die Spaß an Schmerzen haben.«
Eve schüttelte den Kopf. »Das wäre natürlich eine Möglichkeit. Aber sie hat sich gern verhätscheln lassen. Lass mir ein Bad ein, hol mir einen Snack. Sie hat die Badewanne benutzt, und im Waschbecken und Abfluss hat die Spurensicherung Blutspuren entdeckt. Sie hat sich also sauber gemacht, nachdem sie zusammengeschlagen worden ist.«
Die fehlenden Handtücher, erinnerte sie sich, und machte sich eine entsprechende Notiz.
»Außerdem hat sie ihrem Mörder den Rücken zugewandt. Die Schläge haben sie am Hinterkopf erwischt. Sie hatte ganz eindeutig keine Angst.«
»Es war also jemand, den sie kannte und dem sie - zu Unrecht - vertraut hat.«
»Man vertraut niemandem, der einen am Vortag derart verdroschen hat.« Vielleicht liebte man ihn. Sie
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