Stirb, Schätzchen, Stirb
zugelassen war - die Windschutzscheibe ihres eigenen Wagens eingeworfen hat, um dem Kind von gegenüber die Schuld in die Schuhe schieben zu können? Das hätten sie dir garantiert niemals geglaubt.«
»Darum geht es nicht.«
»Worum geht es denn wohl sonst? Außerdem hat dieser Junge das Erlebnis sicher überlebt. Schließlich hatte er Eltern, ein Haus, Freunde und genug Charakter, um einem kleinen Mädchen eine Fahrt auf seinem Skateboard anzubieten. Ich nehme also an, dass er relativ problemlos über diese Sache hinweggekommen ist. Und du bringst dein Erwachsenendasein damit zu, dein Leben zu riskieren, um andere Menschen zu beschützen, hör also bitte auf, dir Vorwürfe zu machen, weil du dich damals wie das verängstigte Kind benommen hast, das du schließlich auch warst.«
»Verdammt.«
»Ich meine es ernst. Und zieh endlich deinen Mantel aus. Himmel, bist du nicht schon halb erstickt?«
Es kam nicht gerade häufig vor, dass sie beschämt oder verlegen war. Jetzt aber war sie beides, und so zog sie ihren Mantel aus, ließ ihn auf die Matratze gleiten und erklärte mürrisch: »Ein Mensch hat ja wohl das Recht, mal in seinem eigenen Bett zu liegen und sich in Selbstmitleid zu ergehen.«
»Das hier ist auch mein Bett, und ich bin der Ansicht, dass du dich lange genug in Selbstmitleid ergangen hast. Also probier doch einfach mal was anderes aus.«
Sie schnappte sich den Kater und setzte ihn sich auf den Schoß. »Nein.«
»Spiel ruhig die beleidigte Leberwurst, das ist auf alle Fälle schon mal besser als das lächerliche Selbstmitleid.« Er rollte sich vom Bett. »Ich trinke währenddessen ein Glas Wein.«
»Vielleicht hat er von der Sache einen Schaden fürs Leben davongetragen.«
»Bitte.«
Er trat entschlossen vor die Bar, und sie sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Vielleicht ist er kriminell geworden, und das alles nur, weil er damals zu Unrecht beschuldigt worden ist.«
»Das ist natürlich möglich.« Er nahm einen feinen Weißwein aus dem Kühlregal. »Vielleicht hast du ihn ja sogar schon mal eingesperrt. Wäre das nicht wunderbar ironisch?«
Ihre Lippen zuckten, doch sie unterdrückte das aufsteigende Gelächter und blickte ihn weiter böse an. »Oder vielleicht hast du in deiner unrühmlichen Vergangenheit Geschäfte mit ihm gemacht. Denn wahrscheinlich hat er sich inzwischen als Gangsterboss irgendwo in Texas etabliert.«
»Was er nur dir zu verdanken hat.« Er kam zum Bett zurück, drückte ihr ein Weinglas in die Hand und sah sie fragend an. »Fühlst du dich ein bisschen besser?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht. Weißt du, ich hatte diese Sache vollkommen vergessen, so wie man eben altes Zeug vergisst. Als es mir wieder eingefallen ist, hat es fürchterliche Schuldgefühle in mir geweckt. Er war damals vielleicht vierzehn oder fünfzehn Jahre alt, und er hat mich auf seinem Skateboard fahren lassen, weil er Mitleid mit mir hatte. Das war ihm deutlich anzusehen. Aber gute Taten bleiben eben nicht ungesühnt«, erklärte sie und prostete Roarke zu.
»Ich kann ihn finden, wenn du willst. Dann kannst du gucken, was aus ihm geworden ist.«
»Vielleicht. Ich werde es mir überlegen.«
»Bis du dich entschieden hast, hätte ich noch eine kleine Bitte.«
»Was?«
»Ich habe keine Bilder von dir aus der Zeit, bevor ich dir begegnet bin.«
Wegen des abrupten Themenwechsels brauchte sie einem Moment, bis sie verstand. »Bilder?«
»Ja, aus der Zeit, als du noch ein junges Mädchen oder eine kleine Polizistin in Uniform warst. Hoffentlich ziehst du das Ding bald wieder an. Ich habe nämlich einfach eine Schwäche für Frauen in Uniform. Ich könnte mir natürlich alte Passfotos von dir besorgen, aber es wäre mir lieber, wenn du etwas fändest, was du mir geben willst.«
»Ich denke drüber nach. Vielleicht. Wahrscheinlich. Warum willst du ein altes Bild von mir?«
»Unsere Leben haben nicht erst angefangen, als wir uns begegnet sind.« Er strich federleicht mit seinen wundervollen Fingern über ihr Gesicht. »Obwohl ich mir gerne einrede, dass die Zeit, seit wir zusammen sind, der beste Teil von unseren Leben ist, hätte ich einfach gerne ein oder Zwei Bilder von dir aus der Zeit davor.«
»Ich wusste gar nicht, dass du eine derart rührselige Ader hast.«
»Ich bekenne mich schuldig. Am schönsten wäre es, wenn du ein Foto von dir finden würdest, auf dem du um die achtzehn und möglichst spärlich bekleidet bist.«
Jetzt konnte sie das Lachen nicht verhindern. »Du bist
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