Stirb, Schätzchen, Stirb
wir die Leiche fanden? Zumindest die Gesichtverletzung muss dem Mörder aufgefallen sein. Sie war schließlich nicht zu übersehen. Und er hat dieselbe Waffe verwendet wie sie selbst. Wenn wir die Sache unter Einbeziehung dieser Dinge noch einmal durchgehen, haben wir es mit einem Mord zu tun, der so aussehen sollte, als hätte derjenige sie umgebracht, von dem sie auch vorher schon so übel zugerichtet worden ist.«
Sie biss in ihre Pizza und genoss den würzigen Geschmack. »Der Mörder hat also die vorherigen Verletzungen als Tarnung benutzt. Nicht schlecht. Wirklich nicht schlecht. Genauso gut wie der Umstand, dass er ihr Handy mitgenommen hat.«
»Er hat also die Gier und die Gewaltbereitschaft seines Opfers ausgenutzt.«
»Ja. Nur, dass es ein paar Kleinigkeiten gibt, die einfach nicht zu der Geschichte passen, die er uns auftischen will. Wie gesagt, sie weist keine Abwehrverletzungen auf. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass sie gefesselt war, als sie geschlagen wurde, und es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass sie sich gewehrt hat oder wenigstens versucht hat, sich zu schützen. Wenn man dazu noch die Winkel nimmt, in denen die Waffe aufgekommen ist, kommt man unweigerlich zu dem Ergebnis, dass sie selber auf sich eingedroschen hat.«
»Und schon sieht alles völlig anders aus.«
»Genau. Dann sind da noch der Tatort selbst, die Position der Leiche und der Todeszeitpunkt. Wenn jemand Fremdes mitten in der Nacht durchs Fenster gekrabbelt kommt und man noch sein Bett verlassen kann, läuft man doch wohl laut schreiend davon. Sie hat aber nichts Derartiges getan. Weshalb der Mörder eindeutig zur Tür hereingekommen ist. Er muss von ihr hereingelassen worden sein.«
»Ich würde immer noch nicht ausschließen, dass er durchs Fenster kam. Falls sie und ihr Partner wirklich Differenzen hatten, ist er vielleicht lieber durchs Fenster bei ihr eingestiegen, statt das Risiko einzugehen, dass sie ihn einfach vor der Tür stehen lässt.«
»Das Fenster war ganz sicher abgesperrt. Das ist das Problem mit der Erinnerung.« Sie biss abermals in ihre Pizza und spülte den Happen mit einem Schluck Wein herunter. »Das ist das Problem daran, dass die Ermittlungsleiterin das Opfer kannte und dass sie sich gut daran erinnern kann, dass das Opfer immer alle Türen und Fenster abgeschlossen hat. Trudys Evangelium zufolge war die Welt voller Diebe, Betrüger und Vergewaltiger. Selbst tagsüber, wenn wir zu Hause waren, war immer alles abgesperrt. Sie hätte in einer gefährlichen Großstadt wie New York niemals ein Fenster aufgelassen. Das hätte einfach nicht zu ihr gepasst.«
»Sie hat ihren Mörder also reingelassen«, wiederholte Roarke. »Zu einem nächtlichen Besuch.«
»Ja. Es muss schon ziemlich spät gewesen sein. Sie hat sich nicht mal die Mühe gemacht, einen Bademantel anzuziehen. Es hing einer im Schrank, aber sie hat auf ihn verzichtet und einfach im Nachthemd aufgemacht.«
»Was auf eine gewisse Vertrautheit zwischen ihr und ihrem Mörder schließen lässt. Vielleicht war er ja ihr Geliebter oder so?«
»Vielleicht. Auszuschließen ist das nicht. Sie hat sehr auf ihr Äußeres geachtet. Hat sich das Gesicht und auch den Körper liften lassen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es damals einen Mann in ihrem Leben gab«, murmelte Eve, während sie versuchte, in die Vergangenheit zu sehen. »Ich war nur sechs Monate dort, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass jemals ein Mann in ihrem Haus gewesen wäre oder dass sie mit einem Typen ausgegangen ist.«
»Zwanzig Jahre ohne Mann wären eine ziemlich lange Dürrezeit.«
»Es ist nicht auszuschließen, dass sie ein Verhältnis hatte«, fuhr Eve fort. »Aber ich habe mir das Zimmer gründlich angesehen, nirgends gab es irgendwelches Sexspielzeug, Reizwäsche, Kondome oder irgendeinen anderen Schutz gegen Geschlechtskrankheiten. Vielleicht hatte sie ja eine langfristige Beziehung - zwar habe ich bisher noch keinen Hinweis dafür gefunden, aber auszuschließen ist das nicht. Obwohl der Typ bestimmt kein echter Partner für sie war. Gleichberechtigt war diese Beziehung sicher nicht.«
»Nein?«
»Sie musste immer die Kontrolle über alles haben. Sie musste diejenige sein, die die Anweisungen gab. Es hat ihr Spaß gemacht, Menschen herumzukommandieren und zu sehen, wie sie für sie gesprungen sind. Guck dir doch nur die Liste ihrer Arbeitsstellen an. Sie hatte im Verlauf der Jahre jede Menge Jobs, ist aber nirgendwo lange geblieben. Sie hat Befehle
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