Stirb schön
Zitronen- und Milchsäure und Speiseöl. Klebstoffen, Sprengstoffen, Kunstgummi. Wasser- und Abwasserbehandlung. Papierherstellung. Zellstoffindustrie. Gerberei. Autobatterien.«
»Sie sollten sich fürs Fernsehquiz melden«, sagte Nicholas. »Spezialthema Schwefelsäure.«
»Vor einigen Jahren hatte ich so einen Fall. Ein Typ aus Croydon spritzte seiner Freundin das Zeug ins Gesicht, weil sie ihn verlassen hatte. In manchen afrikanischen Ländern scheint das üblich zu sein.«
»Netter Kerl.«
»Ein richtiger Charmeur. Das haben wir nun von den ganzen Bimbos.«
Grace geriet in Rage. »Norman, falls Sie es nicht bemerkt haben sollten, ein Mitglied unseres Teams ist schwarz. Noch eine rassistische oder homophobe Äußerung, und ich lasse Sie suspendieren. Kapiert?«
Nach kurzem Schweigen erwiderte Potting: »Tut mir Leid, Roy, Entschuldigung. War nicht sehr taktvoll. DS Branson ist ein guter Mann.«
Obwohl er schwarz ist?, hätte Grace am liebsten gekontert, sagte aber nur: »Man braucht schon ein paar Liter, um die Wanne voll zu kriegen. Die Nachbarn müssen etwas bemerkt haben. Die haben doch lauter schöne Aufkleber, von wegen Nachbarschaftsschutz und so weiter. Norman, ich habe zwei Aufgaben für Sie. Fragen Sie die Kollegen, die die Haus-zu-Haus-Befragung durchgeführt haben, ob fremde Fahrzeuge in der Straße aufgefallen sind. Und dann klären Sie, wer in der Gegend große Mengen Schwefelsäure liefert oder bezieht.«
»Bevor oder nachdem ich die Bücher von BCE-247 durchgegangen bin, Chef?«
»Sie müssen eben mehrere Dinge gleichzeitig machen, Norman, genau wie wir alle.«
Zwei Piepser meldeten eine eingehende SMS. Von Cleo. Sofort besserte sich seine Laune. Doch als er sie gelesen hatte, war seine Stimmung auf dem Nullpunkt.
53
DER VIDEORAUM DER SOKO - ZENTRALE war ein winziges Kabuff ohne Fenster. Obwohl Glenn Branson nur mit Tom Bryce darin war, bekam er schon Beklemmungen. Noch ein Beispiel dafür, wie schlecht man die Umnutzung des Gebäudes geplant hatte.
Tom Bryce saß am Schreibtisch vor dem Bildschirm, links neben ihm lag ein Stapel Videos und CD-ROMs.
Im Augenblick liefen die Aufzeichnungen der Überwachungskameras vom Bahnhof Preston Park, der ersten Station nördlich von Brighton, die regelmäßig von Pendlern benutzt wurde, weil man in der Umgebung kostenlos parken konnte. An diesem Bahnhof war der Vollidiot ausgestiegen und hatte seine CD-ROM liegen gelassen.
Constable Bunting hatte einen Volltreffer gelandet. Nur zwei Stunden nach Glenns Anruf bei der Bahnpolizei hatte er die Aufzeichnungen des genauen Zeitraums geliefert, in dem Toms Zug auf dem südlichen Bahnsteig in Preston Park eingefahren war.
Tom zwang sich, konzentriert hinzuschauen, obwohl er ständig an Kellie denken musste. Er zitterte, weil er nichts gegessen und stattdessen nur eine Überdosis Kaffee getrunken hatte. Sein Magen fühlte sich an, als wäre er mit Stacheldraht gepolstert. Plötzlich klingelte sein Handy.
Die Nummer im Display sagte ihm nichts. »Ich gehe lieber ran.« Branson nickte.
Es war Lynn Cottesloe, Kellies beste Freundin, die ebenfalls in Brighton wohnte und wissen wollte, ob sie und ihr Mann irgendwie helfen könnten. Etwas zu essen bringen? Sich um die Kinder kümmern? Tom bedankte sich und sagte, die Familienbetreuerin sei bereits im Haus. Lynn bat ihn, auf jeden Fall anzurufen, wenn es Neuigkeiten gäbe. Er versprach es und kehrte zu seiner Aufgabe zurück.
Die erste Kamera hatte den gesamten Bahnsteig von oben gefilmt. Ein Zug fuhr gerade ab. Ein Zähler rechts oben zeigte 19.09 Uhr.
»Das ist der Thameslink von London Bridge«, erklärte Branson. »Ihrer kommt in ein paar Minuten.«
Tom spulte vor, bis ein neuer Zug auf dem Bahnsteig auftauchte. Er war angespannt. Der Zug bremste, die Türen gingen auf, und etwa dreißig Leute stiegen aus. Er drückte auf »Pause« und schaute sich die Passagiere aufmerksam an.
Keine Spur von dem Vollidioten.
»Ist das wirklich der richtige Zug?«
»Eindeutig. Der 18.10-Express ab Victoria, den Sie genommen haben. Lassen Sie mal weiterlaufen, vielleicht sind noch nicht alle ausgestiegen.«
Tom drückte auf »Play«, die Menschen erwachten zum Leben. Er musterte die Zugtüren, von denen sich viele bereits wieder geschlossen hatten, und suchte nach dem Wagen, in dem er gesessen hatte. Etwa der vierte von vorn, dieser dort musste es sein.
Und dann sah er ihn.
Den dicken Mann mit dem Babygesicht, dem Safarihemd über formloser Hose, der kleinen
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