Stirb
Tier ruckartig am Halsband zurück und führte es in sicherem Abstand an der Falle vorbei.
Kaum hatte sie den Wald hinter sich gelassen, sah sie, dass Licht in der Pension brannte. Die Umrisse dreier Männer in der offenstehenden Haustür. Als sich Lara näherte, erkannte sie zunächst Bernd Petzold, dann seinen jungen Kollegen. Daneben Arne, der Hendrik auf den Schultern trug. Dahinter im Flur stand Emma, sie alle schienen wohlauf. Lara atmete tief aus, ihr fiel ein zentnerschwerer Stein vom Herzen.
»Tja, das war wohl falscher Alarm«, sagte Petzold zur Begrüßung. Petzold, um die fünfzig, mit schütterem weißem Haar, war einer von jenen Polizisten, die gerne den Sheriff spielten, solange sie sich die Finger nicht schmutzig machen mussten.
Noch immer keuchend wie nach einem Marathonlauf, strich Lara sich die schweißnassen Haare aus der Stirn und sah Arne wütend an.
»Bist du von allen guten Geistern verlassen! Wo um alles in der Welt bist du mit den Kindern gewesen?!«
»Die Kids konnten nicht schlafen, da haben wir spontan ’ne kleine Nachtwanderung gemacht«, antwortete er nonchalant. »Wir wollten uns das Feuerwerk von der Steilküste aus ansehen …« Amüsiert lachte er auf. »Du hättest echt sehen sollen, wie Hendrik …«
»Das Feuerwerk?«, fiel Lara ihm fassungslos ins Wort. »Verdammt, Arne!« Sie riss empört die Arme hoch. »Was hast du dir bloß dabei gedacht! Ich bin durch den halben Wald geirrt und dachte schon, den Kindern sei sonst was zugestoßen!« Was sie wirklich gedacht hatte, behielt sie für sich.
»Alles okay, meine Große?«, erkundigte sie sich bei Emma, doch das Mädchen sah sie nur seltsam verschämt an und lief davon.
»Emma, warte!« Lara holte sie im Flur ein und packte sie am Arm. »Du verschweigst mir doch was – ich will sofort wissen, was hier los ist! Woher kommt das Blut in deinem Bett?«
Als Emma beschämt den Blick abwandte und ihr die Röte ins Gesicht stieg, hatte Lara plötzlich verstanden, dass ihre Sorge vollkommen unberechtigt war und sie es mit der normalsten Sache der Welt zu tun hatte: Emma hatte ihre Periode bekommen.
Laras angespannte Miene wandelte sich zu einem warmen Lächeln.
Sie strich ihrer Tochter liebevoll über den Kopf, doch Emma rannte in ihr Zimmer. Und knallte die Tür zu.
Shit!
»Hatte ja keine Ahnung, dass du wegen ’ner kleinen Nachtwanderung gleich so aus der Haut fahren würdest«, rief Arne, noch immer mit den Polizisten an der Tür, über den Flur. »Als ob in dem Kaff hier je was passiert wäre …«
»Ja genau – Arne ist voll cool!«, grölte Hendrik und kletterte von Arnes Schultern.
»Ab ins Bett mit dir, junger Mann!«, zischte Lara und stemmte die Hände in die Hüften. »Und räum endlich dein gottverdammtes Skateboard aus dem Flur!« Sie wollte Hendrik nicht anschreien, es war einfach so passiert.
Hendrik sah zu Arne auf.
»Na los, Kumpel«, meinte Arne. »Mach schon, was die Frau Wöhler sagt.«
»Okay …«, sagte der Junge widerwillig und sauste die Treppen zu seinem Zimmer hinauf.
»Sieht ganz so aus, als würden wir hier nicht mehr gebraucht«, räusperte sich Petzold, der mit mürrischer Miene und verschränkten Armen neben seinem Kollegen stand. Lara wollte vor Scham im Erdboden versinken.
»Es tut mir wirklich leid, aber ich … ich dachte …«
»Das sollte es auch«, unterbrach Petzold. »Und sollten Sie mich wieder einmal aus dem Bett holen, werte Frau Wöhler, dann haben Sie hoffentlich einen triftigeren Grund, als irgendwelchen Nachtgespenstern nachzujagen.« Er gab sich keine Mühe, den zynischen Unterton in seinen Worten zu verbergen.
Unfähig zu antworten, schnappte Lara nach Luft.
»Ist trotzdem gut zu wissen, dass man auf Leute wie Sie im Ernstfall zählen kann«, schritt Arne ein und klopfte Petzold kumpelhaft auf die Schulter. Lara starrte die beiden an. Wüsste sie es nicht besser, hätte sie geglaubt, dass sie sich schon länger kannten.
»Nichts für ungut«, erwiderte der Polizist in unerwartet freundlicherem Tonfall. Nach einem knappen Kopfnicken und einem »Gute Nacht allerseits« ging er zurück zu seinem silbergrauen Opel Astra.
Mit einer unbändigen Wut im Bauch sah Lara ihm hinterher und spürte, dass sie kurz davor war, die Beherrschung zu verlieren.
Petzolds junger Kollege, der mit seinem kindlichen Gesicht eher wie ein Polizeischüler wirkte, schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln.
»Der alte Griesgram meint das nicht so«, flüsterte er, als Bernd
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