Stirb
und mir war sofort klar, dass er in Begleitung einer Frau war – und damit meine ich nicht meine Mutter. Ich bin in der Eile ins Wohnzimmer geflüchtet und habe mich unter der Couch versteckt. Von da aus hatte ich einen direkten Blick auf die offene Küche. Mir wurde ganz schlecht, als ich meinen Vater mit dieser Frau sah. Erst recht, als die angefangen hat, sich auszuziehen! Diese Schlampe hat meinen Vater total verrückt gemacht!« Sich schüttelnd, blickte Andreas hinaus. »Und dann hat er die dabei auch noch mit seiner neuen Super-8-Kamera gefilmt!«
»Und du lagst die ganze Zeit da und hast das alles mitbekommen?«, fragte Isabelle sichtlich entsetzt.
»Was hätte ich denn machen sollen? Ich konnte ja schlecht unter der Couch hervorkriechen und sagen: ›Hallo, hier bin ich und hab die ganze Zeit gespannt‹!«
»Wohl kaum …«, pflichtete Isabelle bei.
»Und auf einmal ging’s richtig zur Sache … Von der Couch aus konnte ich zum Schluss zwar nichts mehr sehen, aber was ich gehört habe, hat weiß Gott gereicht …«
»Und, bist du am Ende aufgeflogen?«, fragte Isabelle.
»Nein, das nicht – aber meine Mutter hat sie erwischt.«
»Oha …«
»Ich hatte schon gehört, wie sie auf ihren Absätzen über das Parkett im Flur gestakst kam.« Er schüttelte den Kopf. »Mann, Mann, ich kann dir sagen … Ich hatte meinen Vater noch nie so panisch gesehen. Er wollte, dass seine Tussi ins Wohnzimmer verschwindet und ja still ist, bis meine Mutter im Bad war. Aber die Schlampe hat sich geweigert – ts, das muss man sich mal vorstellen! Hat doch echt geglaubt, nur weil er sie fickt, hätte sie irgendwelche Ansprüche!« Andreas sah Isabelle Zustimmung heischend an, doch die Referendarin rang sich nur ein knappes Nicken ab.
»Plötzlich ist die Schlampe vollkommen ausgerastet und hat gedroht, meiner Mutter alles zu sagen!«
»Und dann?«
»Keine Ahnung, ich hab sie ja nicht mehr sehen können, hab bloß noch gehört, wie das Küchenfenster auf- und zugeschlagen wurde. Und dann ist mein Vater plötzlich blutüberströmt auf die Marmorfliesen gefallen! Ich hab mir den Mund zuhalten müssen, um nicht zu schreien!«
Fassungslos starrte Isabelle ihn an.
»Die Drecksschlampe hatte ihn erstochen! Direkt vor meinen Augen!« Andreas’ Mund fühlte sich wie ausgetrocknet an, als er für einen Moment die milchigen Augen seines Vaters vor sich sah – schmerzverzerrt, kalt, leblos. Ein Blick, der Andreas bis in alle Ewigkeiten verfolgen sollte.
Isabelle traute sich kaum mehr zu atmen.
»Und … und was ist dann passiert?«
»Plötzlich stand meine Mutter in der Tür.« Andreas schluckte, und ihm war, als schlinge er Rasierklingen hinunter. »O Mann, die hat vielleicht geschrien, als sie gesehen hat, was los war. Dann ist sie der Schlampe hinterhergerannt …«
»… und hat sie gekriegt?«, fragte Isabelle.
»Nein, verdammt!« Er schlug mit der Faust aufs Lenkrad. »Sie hatte diese Nutte im Wohnzimmer schon fast eingeholt, da ist sie gestolpert, und ich habe nur noch gesehen, wie sie mit dem Hinterkopf auf den Glastisch gestürzt ist …«, flüsterte er kopfschüttelnd. »Der dumpfe Aufprall ihres Schädels …«
Inzwischen war jegliche Farbe aus Isabelles Gesicht gewichen.
»War … war sie etwa auch …?«
Andreas nickte nur. Seine Miene zeugte von abgrundtiefer Traurigkeit. Und von unbändigem Hass.
Die Referendarin hielt sich die Hände vor den Bauch, als hätte sie Krämpfe.
»Tut mir leid, ich hätte dir das nicht erzählen sollen«, beteuerte Andreas.
»Nein, schon gut«, stammelte sie und wischte sich mit dem Ärmel ihres Sweatshirts eine Träne von der Wange. »Und … was hast du dann gemacht?«
»Nichts.«
»Wie, nichts ?«
»Gar nichts. Ich habe mir vor Angst in die Hose gemacht und mich nicht mehr unter der Couch hervorgetraut.« Er legte eine kurze Atempause ein. »Fast drei Tage lang.«
Entsetzt richtete Isabelle sich auf und konnte kaum glauben, was sie da hörte.
»Du hast drei Tage unter dieser Couch gelegen?«
Wieder ein schwerfälliges Kopfnicken.
»Ich war vollkommen absorbiert, als wäre alles nur ’n Scheißfilm … Irgendwann kam dann Rosita zum Dienst. Sie war es auch, die die Polizei alarmiert hat.« Sein Unterkiefer zuckte, als er hinzufügte: »Bevor die Bullen kamen, habe ich mir schnell noch das Messer geschnappt.«
»Das Messer? Wozu?«
»Es lag der Couch am nächsten … quasi direkt vor meiner Nase … ich habe die ganze Zeit
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