Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stirb

Stirb

Titel: Stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
Vom Netzwerk:
fang jetzt bloß nicht an zu heulen.
    Sie gingen an den Gräbern vorbei zum Parkplatz. Und während Torben mit seinem grünen Bulli davonbrauste, lief Lara auf die Kommissarin zu, die schon eine Weile dort gestanden haben musste, ohne dass sie es bemerkt hatte.
    »Sie verlassen uns also auch?«, fragte Lara.
    Hausmann lächelte unter ihrem Schirm.
    »Tja, ich schätze, es wird Zeit, wieder zurück nach Berlin zu fahren. Meine Sachen habe ich schon im Wagen«, erklärte sie mit schrägem Kopfnicken zu ihrem Passat, der gleich neben Laras Saab am hinteren Ende des Parkplatzes stand. »Ich wollte mich nur noch von Ihnen verabschieden. Mein Kollege ist noch auf dem Revier, um den Bericht abzuschließen.«
    »Ja, ich weiß, er hat sich vorhin schon verabschiedet«, meinte Lara und blickte die Kommissarin bewegt an.
    »Vielen Dank, dass Sie beide nach Rügen gekommen sind, auch wenn es falscher Alarm war. Sie können sich nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass endlich wieder Frieden in mein Leben einkehrt.« Und dann sagte sie nach kurzem Zögern: »Als es damals so aussah, als würde Emma die Messerattacke nicht überleben, da war ich mir ganz sicher: Wenn dein Kind stirbt, dann stirbst du mit ihm. Und als es vor ein paar Tagen so aussah, als hätte er uns wieder aufgespürt, da war es genau dieses Gefühl, das wieder in mir hochkam.«
    Hausmann nickte nur und sah mit zusammengezogenen Augenbrauen über die zur Küste hin abfallenden Wälder und das dahinterliegende Meer, das in den Sonnenstrahlen, die die Wolkendecke vereinzelt durchbrachen, grünblau glitzerte .
    »Sind Sie glücklich?«, fragte sie unvermittelt.
    »Glücklich?« Lara lächelte. Eine aufkommende Brise blies ihr das in die Stirn gezupfte Haar aus dem Gesicht.
    »Sie meinen, hier auf der Insel?«
    »Auf der Insel, in Ihrem Leben, alles eben.«
    Lara dachte einen Moment lang nach. Dann nickte sie.
    »Ja, doch. Und Sie?«
    »Ich?« Hausmann wirkte überrascht, als habe sie nicht mit einer Gegenfrage gerechnet. »Ach, wissen Sie …« Sie zog einen Mundwinkel hoch, den Blick jetzt wieder auf die Ostsee gerichtet. »Ich habe nie zu den Menschen gehört, die laut HIER gerufen haben, als das Glück verteilt wurde …«
    »Darf ich fragen, ob Sie verheiratet sind?«
    Die Kommissarin schüttelte den Kopf.
    »Nein … nein, bin ich nicht.« Ein gequältes Lächeln. »Ich gehe wohl lieber auf Verbrecherjagd, anstatt meinem eigenen Glück nachzujagen. Berufskrankheit, schätze ich.« Und nach einem kurzen Schweigen sagte sie: »Tja, da reise ich jetzt ab und habe Ihren Lebensgefährten gar nicht kennengelernt.«
    Lara nickte nur und beließ es dabei.
    »Wie läuft es denn so?«, fragte Hausmann, »so von Frau zu Frau«.
    Lara blickte sie an.
    »Ich liebe ihn«, sagte sie und meinte es auch so, wenngleich der Gedanke an einen möglichen Vertrauensbruch noch immer schmerzte. »Haben Sie Kinder?«, versuchte sie von sich abzulenken.
    Hausmann schüttelte den Kopf und schien um eine Antwort verlegen.
    »Oh, entschuldigen Sie«, meinte Lara, »ich wollte nicht indiskret sein.«
    »Nein, nein, schon in Ordnung«, beschwichtigte Hausmann und klatschte fröhlich in die Hände. »Dafür habe ich Katzen.«
    Im nächsten Moment mussten beide lachen.
    ***
    In Berlin …
    »Was zum Henker ist das?« Gregor Russbach hielt eines der hellblauen Medikamentenfläschchen, die in dem Regal in der stickigen Kammer zuhauf einsortiert waren, in seinen behandschuhten Fingern.
    Der Schneemann, gerade dabei, ein blutverkrustetes Haarbüschel zu inspizieren, das an dem von Kerzen umringten Schwarzweißporträt klebte, sah auf und nahm eines der Fläschchen aus dem Regal. »Perphenazin«, stieß er erstaunt hervor. »Ein Antipsychotikum, ziemlich hartes Zeug.«
    Kumiko Kobayashi verscheuchte eine Schmeißfliege von ihrer Schulter.
    »So wie der das Zeug gebunkert hat, scheint unser Freund mit seinem düsteren Doppelleben nicht besonders gut klarzukommen …«
    »Wäre ja auch noch schöner«, ächzte Russbach und hob eine im Wasser treibende Fotografie auf, die einen kleinen Jungen auf dem Schoß seines Vaters zeigte. Vater und Sohn trugen Anzüge. Daneben die Mutter, eine korpulente Erscheinung, die Hand auf der Schulter des Vaters, die Lippen rot bemalt. Russbach steckte das Bild in eine Beweismitteltüte, die er in der Innentasche seines Jacketts verschwinden ließ. Dann sah er sich weiter um.
    »Habt ihr den verdammten Vermieter inzwischen erreicht?«
    »Ja, haben wir. Fehlanzeige«,

Weitere Kostenlose Bücher