Stirb
echter Experte.«
Kern nickte geschmeichelt. »Mein Vater war Ornithologe, und manchmal hat er die Vögel sogar ausgestopft.«
»Und was ist dein Lieblingsvogel?«
Kern überlegte.
»Ich schätze, der Eisvogel – los, komm, mit etwas Glück sehen wir ja einen.« Und zu Emma sagte er: »Haben wir denn weibliche Verstärkung dabei?«
Doch Emma schüttelte den Kopf und sah mit glänzenden Augen zu Lara, die genau wusste, was dieser Blick zu bedeuten hatte.
»Na komm, ich fahr dich zum Reitstall«, sagte Lara und nahm Emma bei der Hand. Sie hatten das Revier noch nicht lange verlassen, da schlug ihr Blackberry in ihrer Handtasche Alarm. Sie blieb kurz stehen, um die SMS zu lesen.
>>Bin bald zurück. Ich liebe dich, Frank<<.
***
Berlin-Kreuzberg. Am Morgen des darauffolgenden Tages …
Ein säuerlicher Gestank wie von Taubendreck und ätzenden Chemikalien hing im Flur, als die beiden Gas-Wasser-Installateure vor der Tür stehen blieben, unter der eine trübe Flüssigkeit hindurchsickerte.
»Au Scheiße«, brummelte Tominsky, ein Glatzkopf älteren Semesters, und klopfte pro forma an die Tür des alten Industrielofts. »Hallo? Jemand zu Hause?«
Als keine Antwort kam, griff Zoran in die Brusttasche seines Blaumanns, zog einen feinen Metallhaken mit Picknadel heraus, um sich Zutritt zu verschaffen. Die Tür sprang Augenblicke später mit einem Knarren auf.
Dahinter lag ein düsterer Raum, der einer überdimensionalen Dunkelkammer glich. Die Jalousien waren halb heruntergerissen, die Fensterscheiben mit vergilbtem Zeitungspapier und seltsamen Kinderzeichnungen abgeklebt. Rötliche Lampen flackerten über versifften Becken mit abgestandener, schlieriger Fixierflüssigkeit und tauchten den Raum in ein schummriges Licht. Von der hohen Decke baumelten unzählige verstaubte Negativfilme wie gespenstische Lianen.
»Wo zum Henker sind wir hier gelandet«, stieß Tominsky keuchend aus und stapfte mit seinen Gummistiefeln über die leeren Filmdosen, die im trüben Wasser trieben. »Na los, Zoran – steh nich so rum, sieh zu, dass du den Haupthahn abdrehst, bevor dit janze Gebäude unter Wasser steht.«
Aber Zoran bewegte sich nicht von der Stelle.
»Scheiße, Mann, und ich dachte, ich sei pervers …« Er deutete mit dem Kopf zu einer lebensgroßen aufblasbaren Gummipuppe, die mit einem Halsband, Handschellen und Beineisen an der Wand befestigt war. Sie trug eine hellbraune Perücke.
Tominsky näherte sich einem Hinterzimmer, aus dem das verdächtige Brummen von Schmeißfliegen drang.
»Zieh dir das rein!«, rief er und blieb wie vom Donner gerührt am Ende der Wand stehen.
Zoran verzog das Gesicht.
»Sieht aus wie Blut. Scheiße, ist das abartig.«
Tominsky rümpfte die Nase.
»Moment ma, dit sin Namen, Frauennamen.«
Zorans Miene verdüsterte sich.
»Zum Teufel, los, Tominsky! Nix wie weg hier – mit so ’ner Scheiße will ich nix zu tun haben!«
Zwanzig Minuten nachdem Tominskys Anruf bei der Notrufzentrale eingegangen war, traf Gregor Russbach mit zwei seiner besten Männer auf dem Industriegelände am Maybach-Ufer ein.
Die Einsatzkräfte des SEK waren bereits in den zweiten Hinterhof vorgedrungen. Und während in der Nachbarschaft einige türkische Händler ihre Obst- und Gemüsestände aufbauten, hasteten sechzehn Paar Kampfstiefel das Treppenhaus der heruntergekommenen Industriebaracke hinauf. Die Beamten positionierten sich vor der Eingangstür im sechsten Stock, dann stürmten sie auf Kommando hinein. Verschwanden schnellen Schritts im Innern des rot flackernden Lofts.
»Hey, Russbach! Das hier sollten Sie sich ansehen«, drang es aus einem Hinterzimmer, als Gregor Russbach das Loft erreicht hatte. Das Wasser sickerte ihm in die ausgelatschten Lederschuhe, als er vor der Wand mit den Frauennamen kurz stehen blieb. Er hätte jeden einzelnen auswendig aufsagen können, kannte zu jedem das Gesicht.
Bis heute war es ihm ein Rätsel, weshalb es ihm und seinem Team in all den Jahren nicht gelungen war, dieses Schwein, das für diese grauenhaften Morde verantwortlich war, zu fassen. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er es schaffte, den Blick von der blutigen Schrift zu lösen.
Er zog ein Paar Untersuchungshandschuhe aus seiner Jacketttasche und marschierte auf das Hinterzimmer zu. Doch schon nach wenigen Schritten blieb er schockiert in der offenen Tür stehen.
Was zum Teufel …
Mit einem mulmigen Gefühl trat Russbach über jene Türschwelle, an der die Dunkelkammer zu einer regelrechten
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