Stirb
unwahrscheinlich.«
Hausmanns Blick wanderte zu den Fotos von Emmas massakrierter Stute und der Botschaft in der Sattelkammer.
»Was ist eigentlich mit dem iPod des Mädchens? Wurde der inzwischen gefunden?«
»Nein«, antwortete Kern.
»Soweit ich weiß, hatte Emma ihren iPod Tag und Nacht bei sich – es wäre doch durchaus möglich, dass sie ihn bei der Entführung verloren hat, und falls er gefunden würde, hätten wir zumindest einen Anhaltspunkt, wo …«
»Wurde er aber nicht, Sylvia«, schnitt Kern ihr das Wort ab und blickte sie gereizt an. »Wurde. Er. Nicht.«
Hausmanns Blick glitt erneut über die Wand mit den Fotos.
»Was wissen wir über diese rötliche Kreide?«
Tief einatmend schüttelte Kern den Kopf.
»Niente.«
»Zum Teufel, die Auswertung der Naturwissenschaftlichen Kriminaltechnik müsste längst hier sein!«
»Mensch, Sylvia, jetzt reiß dich zusammen! Wir alle geben unser Bestes, aber wenn wir hier durchdrehen, ist weder Lara Simons noch ihrer Tochter geholfen!«
Hausmann verschränkte die Arme vor der Brust und schob das Kinn vor.
»Noch mehr schlechte Nachrichten, wo wir schon mal dabei sind?« Kern warf den Bleistift auf die Tischplatte. »Russbach ist auf dem Weg hierher.«
»Na, das fehlte gerade noch«, stöhnte sie, als im nächsten Augenblick Bernd Petzold mit betretener Miene zur Tür hereinkam.
»Einen Sturm dieser Stärke haben wir seit Jahrzehnten nicht gehabt«, begann er. »Sowohl die Kollegen von der Küstenwache als auch die Hubschrauberpiloten stellen die Suche vorläufig ein.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage!«, fuhr Sylvia Hausmann ihn an und zeigte mit dem Finger auf Petzold. »Wenn Sie die Suche jetzt abbrechen, dann hat dieser Wahnsinnige da draußen gewonnen!«
»Tut mir leid, aber es ist absolut ausgeschlossen, dass einer meiner Männer bei dem Sturm weiter im Einsatz ist«, entgegnete Petzold entschlossen.
»Sie wollen sich von ein bisschen Wind einschüchtern lassen?!«
Der Rügener Polizeichef schlug mit der Faust gegen den Türrahmen und blickte Hausmann und Kern zornig an.
»Meine Männer haben Familie – mag sein, dass man in der Großstadt nicht mehr weiß, was das heißt, aber bei uns zählen diese Werte noch was, und ich werde keinesfalls riskieren, dass noch weitere Menschen sterben!«
»Wenn wir hier weiter rumsitzen, werden wir das aber kaum verhindern können«, stellte Magnus Kern klar und hielt seinem festen Blick stand.
»Sie haben doch keine Ahnung«, raunte Petzold und streckte ihm ein schlecht leserliches Fax entgegen.
»Die Telefonleitungen funktionieren bloß zeitweise, aber das hier kam gerade noch durch. An der Küste, unweit des Leuchtturms, ist bei Tagesanbruch ein Mann angeschwemmt worden. Der Beschreibung nach könnte es Ihr Freund Torben Landsberg sein – so viel zum Thema Unwetter.«
Kern wechselte einen nervösen Blick mit Hausmann und nahm die Personenbeschreibung an sich.
»Mann Anfang, Mitte, Ende vierzig, mittelgroß, dunkle, graumelierte Haare«, las er vor. »Na klasse, diese Beschreibung könnte auf so ziemlich jeden passen!« Er sah von dem Fax auf und seufzte. »Wo befindet sich der Leichnam?«
»Von wegen Leichnam« – Petzold schielte auf den verzerrten unteren Teil des Faxes –, »der Bursche hat’s überlebt, sie haben ihn ins Sana-Krankenhaus nach Bergen gebracht. Die Chancen, dass er durchkommt, stehen allerdings nicht besonders gut.«
Magnus Kern nahm seine Windjacke vom Kleiderhaken.
»Ich fahr hin.« Im Hinausgehen schlüpfte er in die Jacke und zog den Reißverschluss bis unters Kinn hoch.
Benommen stand Sylvia Hausmann nur da, sah ihrem Partner nach und hoffte, dass man ihr die Verzweiflung und die Hilflosigkeit, die in diesem Moment von ihr Besitz ergriffen hatte, nicht ansah. Dann eilte sie an Petzold vorbei und schaffte es gerade noch, ihre Tränen bis zur Damentoilette am Ende des Gangs zurückzuhalten.
Sie schloss die Tür hinter sich ab, lehnte die Stirn gegen die gekachelte Wand und atmete ein paarmal tief durch. Reiß dich zusammen, Sylvia!
Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und stützte sich mit den Händen am Waschbecken ab. Ihr tropfnasses Spiegelbild zeigte eine Polizistin, die auf ganzer Linie versagt hatte. Sie hatten längst viel zu viel Zeit verloren – und allein der Gedanke daran, dass es für Lara Simons und ihre Tochter bereits zu spät sein konnte, zog sich wie eine Drahtschlinge um Hausmanns Kehle.
»Besetzt!«, blaffte sie, nachdem es an der
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