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Stirb

Stirb

Titel: Stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Winter
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Tür geklopft hatte. Sie wischte sich die schwarze Wimperntusche, die sich in ihre Tränen gemischt hatte, von den Wangen, trocknete sich mit den rauen Tüchern aus dem Papier-Spender das Gesicht ab und betätigte pro forma die Klospülung, bevor sie aus der Tür trat.
    Auf dem Flur erwartete sie ein Beamter mit Schnauzbart, derselbe, der Tage zuvor den Anhalter Jannik Kruse vernommen hatte und dessen Name sie sich partout nicht merken konnte.
    »Den Super-8-Projektor, um den Sie gebeten haben – ich habe ihn im Kellerraum für Sie aufgebaut, da sind Sie ungestört.«
    Hausmann lächelte ihn müde an. »Sie sind ein Schatz«, rief sie noch über die Schulter, lief in ihr Büro, um das Kuvert mit den Filmspulen zu holen, und eilte wenig später die Stufen zum Untergeschoss hinab.
    Ein modriger Geruch lag im Kellerraum des Reviers, in dem neben den verstaubten Aktenschränken und veralteten Computermonitoren haufenweise Kisten mit Büroutensilien standen, die sich bis unter die Decke stapelten. Alles in allem wirkte der Keller jedoch sehr viel aufgeräumter, als es Hausmann von der Mordkommission in Berlin gewohnt war. Sie legte die erste Filmspule ein, stellte den Projektor an und löschte das Licht. Obwohl die Chance, ein brauchbares Indiz zu finden, verschwindend gering war, erschien ihr das Sichten des Filmmaterials im Moment am sinnvollsten zu sein. Möglicherweise verbarg sich darauf ja doch irgendeine Szene, ein Dialog, eine Geste, ein Schatten oder ein noch so winziges Detail, das von Bedeutung war.
    Szenen eines Kindergeburtstags flimmerten über die Leinwand.
    Hausmann zog sich einen Metallstuhl heran und sah angespannt zu, wie ein kleines Mädchen – augenscheinlich Lara Simons – im Beisein des stolzen Vaters, der etwas von einem Deutschlehrer hatte, fünf Kerzen auf einer Geburtstagstorte ausblies. Die Frau dahinter im schlichten, schulterfreien Kleid war unverkennbar ihre Mutter. Sie war hübsch. Nein, hübsch wäre reichlich untertrieben. Und der Art nach, wie sie sich bewegte und ihre Attraktivität zur Schau stellte, schien sie sich dessen sehr wohl bewusst zu sein.
    Einige Zeit später legte Hausmann die nächste Spule ein. Doch auch diese Aufnahmen brachten keinerlei Erkenntnis. Hausmann ließ sich zurück in den Stuhl sinken, während der Projektor Szenen von Lara Simons’ Einschulung an die Wand warf. Eine Klassenlehrerin, die ihre zahnlosen Schützlinge in Empfang nahm, bevor sich die Zwerge mit den übergroßen Schultüten zum Gruppenfoto aufstellten.
    Hausmann schlug die Beine übereinander und wurde von Minute zu Minute ungeduldiger. Die Zeit rann ihr durch die Finger, und diesen Filmspulen konnte sie rein gar nichts abgewinnen, was die Ermittlungen weiterbrachte.
    Hastig legte sie die nächste Spule ein und sichtete im Schnelldurchlauf Szenen der ersten Schwimmversuche von Lara Simons.
    Hausmann spürte, wie sie langsam, aber sicher der Mut verließ. Was war es, was sie übersehen haben konnte? All ihre Hoffnung lag nun auf der letzten im Kuvert befindlichen Spule. Umso größer war die Enttäuschung, als auf der Leinwand nichts als eine weiße, von Punkten und Strichen gesprenkelte Fläche zu sehen war.
    Die reinste Zeitverschwendung!
    Da war sie plötzlich wieder – die alte Verzweiflung. Hausmann stand wieder ganz am Anfang und würde sich die Schuld daran geben, wenn Emma und Lara Simons vielleicht schon in diesen Momenten tot aufgefunden würden. Mit weichen Knien lief Hausmann zum Projektor und wollte das Gerät gerade ausschalten, da tauchten völlig überraschend weitere Bilder auf der Leinwand auf.
    Die Miene der Kommissarin hellte sich auf, als sie die Mutter von Lara Simons splitternackt mit einer Flasche Champagner in der Hand durch eine für die damalige Zeit ausgesprochen modern ausgestattete Küche tänzeln sah.
    Sie trug nichts außer roten Stöckelschuhen und einer langen Kette, an deren Ende ein goldener Herzanhänger zwischen ihren Brüsten baumelte.
    Wieder Platz nehmend, rieb Hausmann die Fingerspitzen aneinander und schaute zu, wie Laras Mutter weiter über die Leinwand tanzte, angespornt von einem Mann, der ganz sicher nicht Lara Simons’ Vater war.
    Konnte es sein, dass sie dieses Gesicht irgendwo schon einmal gesehen hatte? Komm schon, denk nach!
    Fieberhaft forschte Hausmann in ihrem Gedächtnis, doch da war nicht der allerkleinste Hinweis, der Aufschluss über die Identität des Mannes gab. Ihre Brauen fuhren leicht in die Höhe, als sie wenig später Zeuge

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